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und die Tradition

8. 12. 52      28. 3. 97

 

 

Die Rationalisierung der Zeit nach dem Takt der Räderuhren, die der Entwertung des Chorals zum Material der Mensuralnotation und der Profanierung der musica coelestis parallel läuft; die Rationalisierung des Blicks in den Taxierungsmustern eines Bürgertums, das auf den Märkten des Handelskapitals das Tauschprinzip zu respektieren hat, indes die Malerei den sakralen Bedeutungsmaßstab im Realismus der Zentralperspektive aufhebt; schließlich die Rationalisierung des Worts im Druck mit beweglichen Lettern, dem der göttliche Logos zur Silben- und Buchstabenkombinatorik zerfällt, bis Shakespeare die Sprache selbst in die Fallen ihrer Hohlräume und Leerstellen laufen läßt: all dies sind frühe Stadien einer Verweltlichung, in deren spätem Kontext Cages "heidnische"(1) Musik steht.

          Seitdem sich der theologische Ordo im Namen des Diesseits aufzuweichen begann, mußte das Schwinden der Vorsehung ausgeglichen werden: unter Verwandlung der causa sui des summum bonum zur Einheit von Person und Gattung samt deren Zeit- und Gedächtnisstrategien. Wie die musikalische Festigung linearer Zeit, von Perotin bis Josquin, und die Eroberung des Klangraums auf dem Weg zum homogenen Satz mit der Genese der neuzeitlichen Affektsprache korrespondieren, so richtet sich der Wechsel von Gleichheit und Verschiedenheit bereits in der frühen Imitationstechnik zunehmend am pro- und retentionalen Erfahrungstypus der Subjektidentität aus. Bis diese im Vertrauen darauf, daß Gott kein Betrüger sei, sich im Fortschrittspathos der Aufklärung ihr Vernunftprivileg und durch Beethovens Fünfte Symphonie und Hegels Philosophie der Geschichte die ästhetisch-politische Weihe der Gattung verleiht.

          Theologisch-philosophische Rechtfertigung findet die bürgerliche Effizienzökonomie im Glauben an finale Zeittypologien. Zudem werden Telos und Ethos vom Subjektmonopol her nahezu synonym. Nur Selbstgewißheit und eine bis in die einzelne Biographie hinein wirksame Kraft der Entwicklung ist dem sittlichen Appell zugänglich. Und nur aufgrund der Kontinuität des "Ich denke", das "alle meine Gedanken (muß) begleiten können"(2), kann sich Kants kategorischer Imperativ behaupten. So liefert die "durchgängige Identität des Selbstbewußtseins"(3) die Garantie für den Rechtsanspruch des Sittengesetzes. Bis die Fortschrittsfigur, die seit Turgot das genus humanum unter Vertrag nahm, und die transhistorische Vernunft, in der alle Einzelsubjekte sich bespiegeln konnten, nach dem Einlösungsdefizit der Revolution von 1789 sich desillusionieren. Haben Perfektibilität und Teleologie bisher eine unberechenbare Geschichte auf das Prokrustesbett heilsgeschichtlicher Zeit gespannt, so zerreißt dieses Kontinuum im Aufbrechen des Triebgrunds von Geschichte und Intelligibilität: als Sprengung der Trias von Freiheit, Vernunft und Sittlichkeit durch ein übermächtiges Fatum und als Trübung des hellen Ich durch ein übermächtiges Es.

          Mit dem Ende der "absoluten, wahren und mathematischen Zeit", die für Newton noch "gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand" strömt(4), entbindet sich Dauer zur unvorhersehbaren Epiphanie unter Verflüssigung des Subjektfixums. Nun entlarvt sich das Fiktive der als naturhaft unterschobenen Subjektzeit auch ästhetisch. Was bei Sterne gegen die narrative Kausalität verstößt, was in den Ohnmachtsattacken der Kleistschen dramatis personae in deren Binnenzeit einschlägt, was im Grand mal zahlreicher Dostojewski-Helden den Druck der Realität bezeugt und punktuell aussetzt, unterliegt dem Kairos von Digression und Plötzlichkeit. Musikalisch zeigt sich die Unterminierung der finalen Gewichtung in der Periode zwischen 1780 und 1830 zunächst am deutlichsten in der kompositionslogischen Subversion durch Pausen und Zäsuren. Angefangen von flüchtigen Rupturen (Mozart, Finale des Es-Dur-Hornkonzerts KV 417 und des G-Dur-Klavierkonzerts KV 453) über Partien des Stillstands (Haydn, Eröffnungssätze der Symphonien Nr. 80 und 87) bis hin zur Implosion in eine leere Zeit (Beethoven, 2. Satz der Neunten Symphonie). Schließlich wird mit Wagners Entmächtigung der teleologischen Doktrin eine Umwertung der Zeit in Gang gesetzt, die über die "Stream-of-consciousness"-Szenerien und Synchronschichtungen Ives', über Saties Aushöhlung der linearen Bahnung, über die Fliehkräfte der Atonalität und den Verräumlichungsindex der Zwölfton- und der seriellen Technik die psychologische consecutio temporum an ihr Ende bringt und zu Cages Enthierarchisierung des ästhetischen Gedächtnisses führt. Einer Enthierarchisierung, die in engem Zusammenhang mit Cages Zeit- und Zufallstheorie und deren Bindung an die Tradition der Moderne steht und ausführlicher erörtert werden soll.

          Gegen die Vorstellung von Zeit als Zeitigung und Meisterung, gegen den Kreislauf der Herrschaft und der Beherrschung von Zeit will Cage diese so belassen wie sie ist. Bleiben für ihn Struktur und Methode an die Unterwerfung von Zeit gebunden, dann muß mit der Befreiung von jeglicher Chronometrie die Ordnung der Form zum Verschwinden gebracht werden. Demonstriert doch Beethoven, was Struktur, Zeit und Moral miteinander zu tun haben. Seine Sonatenhauptsätze halten das Gedächtnis dazu an, ihrem Antagonismus, der sich von Moment zu Moment weitervererbt und deren jeder den vorangegangenen abzugelten sucht, unablässig Tribut zu zollen, um die Mnemonik über zahlreiche Restitutionsgarantien zugleich in Richtung Autonomie zu stabilisieren. Noch daß sich Zeit in der tonalen Musik nicht zur Stille als entmetrisierter Dauer emanzipieren konnte, lastet Cage vorrangig Beethoven an. Dessen Bestimmung der "Teile einer Komposition durch die Harmonik" sei ein >tödlicher Irrtum< gewesen. Wenn, so Cages vielzitierte Äußerung, "ein Ton durch seine Höhe, seine Lautstärke, seine Farbe und seine Dauer charakterisiert wird", und wenn "Stille, welche das Gegenteil und deshalb der notwendige Partner des Tons ist, nur durch ihre Dauer charakterisiert wird, dann kommt man zu dem Schluß, daß die Dauer, das heißt die Zeitlänge, die fundamentalste der vier Charakteristiken des musikalischen Materials ist. Stille kann nicht als Tonhöhe oder Harmonik gehört werden; sie wird als Zeitlänge gehört".(5)

          Daß Stille sensu stricto in der abendländischen Musik nicht präsent war, ist kaum übertrieben und resultiert aus der Tradition einer musikalischen Zeit, die die der Arbeit reflektiert und den Raum unterwirft. Dieser Tilgung des Raums im geschlossenen Musikwerk und seiner metrischen Notation, die sich zu einem System der Selbstreferenz objektiviert, entspricht das Verinnerlichungsgebot des rezipierenden Subjekts. Raum existiert in dieser Konstellation außer als Realisationsgrund des Erklingenden einzig als imaginärer Binnenraum des Hörerlebnisses. Konsequent ist deshalb die Emanzipation der räumlichen Dimension bei Cage, der gegen den Filter theologisch-metaphysischer Zeitlinearität nicht oft genug betonen konnte, "daß heute alles gleichzeitig geschieht"(6). Unter dem Signum von "unimpededness and interpenetration", im Bewußtsein der Simultaneität von "Ereignissen", von denen "jedes seine eigene Zeit hat", und die sich ungehindert als gleichberechtigte Zentren durchdringen(7), entbindet Cage Zeit und Raum zu einer Raumzeit, in der Zeit nicht mehr additiv den Raum durchqueren und zum Verschwinden bringen will.

          Wie die musikalischen so kritisiert Cage die theoretischen Zeitvorstellungen als "Konstrukt" einer >ideellen Hypnotisierung<. Gerade weil solche Raster wie die von "kontinuierlich, diskontinuierlich, beständig, unbeständig" oder die von der Summierung von Augenblicken es "angeblich ermöglichen", "Zeit zu denken".(8) Cage könnte sich hier auf Wittgensteins Aufdeckung jener sprachbedingten "Verwirrungen" berufen, "die sich aus dem Ausdruck >die Zeit fließt< ergeben". Darauf auch, daß Wittgenstein, um Irrwege dieser Art "aus dem Weg zu räumen", "Kleinholz aus der gewöhnlichen Grammatik" macht(9): gegen die Verblendung, Abstrakta wie Substantive zu gebrauchen, die einem Ding entsprechen. Und wenn Wittgenstein Luthers Deutung der Theologie als eine Deutung der Grammatik des Wortes "Gott" daraufhin zuspitzt, daß eine "Untersuchung dieses Wortes" eben eine "grammatische" wäre(10), dann mißtraut Cage den intellektuellen Zeitdispositiven aufgrund der Einsicht in die Verkettung von Sprache und Logik mit dem "jugement de Dieu".(11)

          Suchte musikalische Zeit bisher als eine des geschlossenen und ausschließenden Kontinuums den Angstgrund zu übertönen, riegelte sie sich deshalb gegen Stille ab, dann intendiert Cage als der Komponist von 4'33'' eine Umwertung des Verhältnisses von Angst und Zeit. Gegen ein Bewußtsein, das panisch reagieren muß, wenn die Objektivationspur zerreißt, eben weil es auf ein ständiges Sich-Gegenwärtigsein, auf ein ununterbrochenes Sich-Objektivieren vereidigt ist. Zumal seit der aristotelischen Bestimmung des chronos als Zahl der Bewegung im Hinblick auf Früheres und Späteres Zeit und Zählen in engem Bedeutungsverweis stehen.(12) Mit dem Messen der Zeit aber ist deren Ökonomisierung vorgegeben, bis hin zur Verinnerlichung der protestantischen Ethik und ihrer Zeit-ist-Geld-Maxime in einer von Aufschub und Frist dominierten Rastlosigkeit. Cages Ideal des Intentionslosen indessen will den Kampf gegen die geschnürte, gewürgte Zeit, gegen die Zeit der Melancholie und der Enge in einer Musik aufheben, die ein Zu früh oder Zu spät nicht mehr kennt. In den Experimenten von chance und change begreift sich Cage als ein mäeutisches Medium, das Zeit vom aleatorischen Punkt aus sich entfalten lassen will. Fern aller Gewalt, sie aus den Angeln zu heben. War es bislang Aufgabe der Musik, Zeit von sich selbst zu erlösen, dann läßt Cage in sie ein, was vormals durch Ausgrenzung geächtet war: das sogenannte Irrationale im Zeichen des Zufalls.

          Obgleich die philosophische Begriffspalette mannigfaltige Farben zur Variation aufweist: Zufall ist in der abendländischen, zumal deutschen Tradition von Notwendigkeit und seiner gesetzmäßigen Zähmung nicht zu trennen. Seine Regellosigkeit, die das Kontinuum sprengt, wurde von der Logos-Philosophie fintenreich gebannt. Als jenes Akzidentelle, das sich im Wesensgrund der Vernunft zum Unwesentlichen verflüchtigt; als das "an sich selbst Grundlose und sich Aufhebende".(13) So hält das principium rationis sufficientis in Schach, was die Finalkausalität durchschlägt und ihr zu entgleiten droht. Eines der Mittel, Kontingenz einzugemeinden, lag in ihrer verdeckten oder offenen Verspannung in eine Zieldynamik. Meister darin war Hegel. Seine Logik bindet den Zufall nach der gleichen Methode dem Regime der Notwendigkeit ein, mit der die Phänomenologie des Geistes die "terreur" der Französischen Revolution dem Läuterungsprozeß des Weltgeistes zuschlägt. Wie die mittelalterliche Fortuna der Vorsehung, so arbeitet der Zufall nun der Freiheitspotenz des Weltgeschichte zu.

          Allerdings revidiert schon Spinozas Reflexion des Zufalls als einer Vorstellung "allein im Hinblick auf einen Mangel unserer Erkenntnis"(14) die Verwerfung des Akzidentellen. Mag es sub specie aeternitatis auch an die göttliche Notwendigkeit gebunden bleiben. Die Aufdeckung der anthropozentrischen Täuschung führt zum Bewußtsein einer "gewissen ewigen Notwendigkeit"(15), die in der Konstruktion und Abwertung des Zufalls das Abwehrmanöver eines beschränkten Verstandes erkennt. Eines in seinen Projektionen befangenen Mediums, dem die Kausalketten und die sich kreuzenden Wirkungsreihen in ihrer gegenläufigen oder sich verstärkenden Dynamik unmöglich vollständig faßbar sind. Im Wechsel der Phänomene lediglich partiell verstehbar, ihrer Effizienz nach aber unerklärlich, geschweige denn berechenbar. Wie bei Kants Bestimmung der Notwendigkeit als einer Kategorie der Modalität zeigt sich bei Spinoza eine Rehabilitation des Zufalls, deren Kritik des "defectus nostrae cognitionis" die Logisierung des angeblich Grundlosen ins Wanken bringt. Im Angriff auf die Ordnung des Subjekts liegt die Hoffnung, daß sich mit dem Fall dieser Ordnung die Spaltung zwischen Notwendigkeit und Zufall aufhebt. In einem Status jenseits von Zufall und Notwendigkeit, der die Welt ohne falsche Sinnstiftung rechtfertigen kann, wie Spinoza und Nietzsche, oder akzeptieren will, wie Cage, ohne einer fatalistischen Akzeptanz beizupflichten.

          Aufgrund der Kränkung, die die Aufwertung des Unberechenbaren dem Kult um Selbstbestimmung und freiem Willen zumutet, werden Zufall und Chaos erst mit dem Zerfall der idealistischen Weltinterpretationen auf breiterer Basis ernstgenommen. Bei Schelling, Schopenhauer und Nietzsche. Jetzt läßt sich der Harmonisierungskitt des Subjekts nicht länger verleugnen, seine Bewältigungsattitüde in einer durch praktische Instinkte zurechtgemachten Welt der Scheinbarkeit. Der Monotheismus der Form, die Entmächtigung des Vielen durch das Eine, täuscht nicht länger darüber hinweg, daß das Geformte den Schrecken des Amorphen nicht verleugnen kann. Gegen den Systemtriumph des Geistes und dessen Integrationsverlangen dringt die "unergreifliche Basis der Realität" ins Bewußtsein, ihr mental "nie aufgehender Rest".(16) Denn immer noch liegt "im Grunde das Regellose, als könnte es einmal wieder durchbrechen, und nirgends scheint es, als wären Ordnung und Form das Ursprüngliche, sondern als wäre ein anfänglich Regelloses zur Ordnung gebracht worden".(17) Nietzsches rückhaltlose Bejahung endlich bringt die Wende in der Auseinandersetzung mit dem Hasardeur Zufall. Nietzsche, darin Ahne und Heros der Moderne zugleich, bestimmt die "Geschichte der Cultur" als eine Abnahme der "Furcht vor dem Zufall, vor dem Ungewissen, vor dem Plötzlichen". Und zwar unter dem Gebot, "berechnen (zu) lernen, causal denken (zu) lernen, präveniren (zu) lernen, an Nothwendigkeit glauben (zu) lernen". Bis in einem späten "Zustand von Sicherheitsgefühl" erneut die "Lust am Zufall, am Ungewissen und am Plötzlichen als Kitzel hervorspringt" und im "Pessimismus der Stärke", dem Symptom "höchster Cultur", unter Abkehr vom Rechtfertigungswahn eine "Welt-Unordnung ohne Gott, eine Welt des Zufalls" zum Durchbruch kommt. Mit einem "absoluten Jasagen zu der Welt, aber um der Gründe willen, auf die hin man zu ihr ehemals Nein gesagt hat".(18) Einem "Jasagen", das bei Nietzsche allerdings willensmetaphysisch gebunden bleibt. Gegen den "grausen Zufall" des ">Es war<", der "das Dasein" in unauflösbare "Schuld" verstrickt(19), verlangt der souveräne Mensch als "Erlöser des Zufalls" alles ">Es war< umzuschaffen in ein >So wollte ich es!<".(20) Ein schaffens- und bewältigungspathetischer Aspekt, der in der Kunst der Moderne Wirkung zeigte. Und nicht nur er. Wenn sich Zeit und Zufall von der Hypothek eines unerlösten Schuldzusammenhangs entbinden sollen, indem Nietzsches Zarathustra die moralische Zeitordnung wandernd in Raum verwandelt, eine Ordnung somit, deren Zerstreuungsprisma die Welt mit dem Zufall der Zerstückelung schlägt, dann liegt die Verwandtschaft zu Cages Raumkonzeption zutage. Samt jener Verwandtschaft, die sich als Rechtfertigungspathos des "Amor fati" an gewisse akzeptanzphilosophische Facetten Cages vererbt und seinerzeit die Diskrepanz zu Boulez begründete.

          Cage entdeckt den Zufall als Befreiung, ohne das willensmetaphysische Athletentum und die Verlust-, Melancholie- und Beschwörungsfiguren Nietzsches. Als ein "Element, das weder etwas mit Wiederholung noch mit Variation zu tun hat", als ein Phänomen von "Ereignissen", die "sich sofort oder nacheinander ohne eine Verbindung entfalten."(21) Keinesfalls sind Zufallsoperationen "mysteriöse Quellen für >richtige Antworten<". "They are a means of locating a single one among a multiplicity of answers, and, at the same time, of freeing the ego from its taste and memory, its concern for profit and power, of silencing the ego so that the rest of the world has a chance to enter into the ego's own experience".(22) Die "chance operation" wird zu einem Medium der Disziplin gegen die Verschlossenheit des Ego. Gegen seine "Neigungen und Abneigungen", abgeschottet in seiner "Urteilsbildung", seinen "Erinnerungen" und den "daraus resultierenden Gewohnheiten", soll das Ich durchlässig, "offen, fließend mit seiner Erfahrung" gehalten werden.(23)

          Der Zufall, den Cage gegen die sequentielle Logik setzt, ist einer der Serie und Multiplikation. Nach dem "Frankensteinschen Monster" der Music of Changes und ihrer Diskrepanz zwischen einer äußersten Inpflichtnahme des Interpreten und aleatorischer Kompromißlosigkeit erweitert Cage deren Lizenzen und Freiräume. Waren anfänglich noch ein vor den Zufallsoperationen skizziertes Tableau kompositorischer Möglichkeiten sowie verschiedene zahlenschematische Gliederungsraster im Einsatz, werden diese später unter dem Verdacht der Herrschaftsintention zurückgedrängt. Wie die vorab proportionierte Struktur zugunsten einer Bestimmung lediglich der Gesamtdauer verschwindet, so verschwindet die Aufzeichnung des Rhythmus zugunsten der "space notation" einer vom Zeichenabstand auf dem Papier angedeuteten Teildauer. Die Anstrengung, absichtsvoll jede Absicht zu vermeiden, zeigt sich in Cages Arbeitsethos der frühen und aufwendigen Zufallskonstruktionen. Beispielsweise während der Komposition von Williams Mix, bei der die "Benutzung des I Ging anfangs sehr viel Zeit in Anspruch (nahm)" und "äußerster Präzision" bedurfte. Erst später, als Cage "über das Problem der Schreibgeschwindigkeit nachdachte", kam die Entdeckung, daß in Form der Unebenheiten des Papiers "alle Musik schon da war" und mittels Transparentpapier nur noch "kombiniert" und "multipliziert" werden mußte.(24)

          Besonders Boulez machte im Namen der neuen Musik Front gegen solch skandalöse Entlastungsprozeduren "kompletter Faulheit"(25) und gegen eine Aleatorik des ungefilterten Zufalls. Der "reine" Zufall, bei dessen Begründung die >Logik völlig leerläuft<, gilt ihm seiner >Uninteressantheit< und "lediglich statistischen" Bedeutung nach als "Zerstörung des ästhetischen Plans".(26) Schon der Alea-Aufsatz von 1957 argumentiert bisweilen geradezu buchhalterisch: "Bestünde nicht die größte List des Komponisten darin, daß er den Zufall absorbierte? Warum diese Kraft nicht zähmen, Ertrag und Rechenschaft ihr abverlangen? ... Aus Schwäche, oder um es sich leicht zu machen, mit dem Zufall zu paktieren, sich ihm ausliefern, bedeutet eine Form der Preisgabe, die man nicht hinnehmen kann, ohne gleichzeitig alle Vorrechte und Rangordnungen aufzugeben, die das geschaffene Werk in sich birgt".(27) Abgesehen davon, daß Boulez etwas leichtfertig mit der Schablone des "Reinen" argumentiert, ist seine Aversion gegen "Zufallsoperationen", die "jeden Begriff von Vokabular zerstören", ein gedanklicher Kurzschluß. Die von ihm befürchtete Negation der Semantik ist nur möglich, wenn deren Radius eng genug gefaßt wird. Zu Recht haben Adorno und Barthes auf die Unrealisierbarkeit eines Nullpunkts strikter Form- und Sinnlosigkeit verwiesen. Und selbst Cage spricht von der "Bedeutungslosigkeit als letzter Bedeutung".(28)

          Mag für Boulez noch die Einheit der Geschichte, der Musikgeschichte Pate stehen, inspiriert vom Wissen um die Forderung, was an der Zeit sei: Cage seinerseits bekümmert sich nicht mehr um jenen Kompromiß von Komposition und Zufall, der in den musikalischen Verlauf als einer "Funktion der physikalischen Ablaufszeit" intermittierend ">Chancen< eintreten lassen" will.(29) Gegen solche ästhetisch zum Einstand gebrachte Spannungs- und Versöhnungschiffren von Freiheit und Notwendigkeit und gegen Boulez' Unterscheidung zwischen dem gelenkten Zufall und dem aus Versehen, die sich an der philosophischen zwischen dem relativen und absoluten Zufall orientiert, hält Cage wie Nietzsche die Erkenntnis, daß der absolute Zufall undenkbar und die Paria- und Bedrohungskomponente des sogenannten relativen Zufalls von der Vernunfthierarchie und ihrer Entdämonisierungsordnung nicht zu trennen ist. Cage argwöhnt daher an der intentionalen Musik noch bis in den gezähmten Zufall hinein den Kompromiß. Ein Argwohn, der bei Kompositionen wie dem ersten Satz aus Lutoslawskis Zweiter Symphonie und dessen spielwiesenhaft-aleatorischen Oasen nachvollziehbar ist. Nicht aber in Boulez' großen Werken des "gelenkten Zufalls", in denen die Dialektik von Konstruktion und Expression als Spannung und Vermittlung von Struktur und Emotion eine neue Qualität gewinnt. Als eine Variante des Gegensatzes "zwischen sehr klaren Strukturen und solchen, bei denen die Überfülle zwangsläufig die Aufnahmefähigkeit des Hörers übersteigt", zwischen einer "verdünnten Wahrnehmungszeit" und einer "sehr dichten".(30)

          Wie in den Natur- und Gesellschaftswissenschaften die Proportionalität von Ursache und Wirkung durch die Verschränkung von Zufall und Notwendigkeit in Formationen des determinierten Chaos relativiert und erweitert wurde; wie im Gegensatz zu den künstlichen Formen der euklidischen nun die Naturformen der fraktalen Geometrie in den Blick rückten, so interessiert Cage die Eigenzeit der Klänge. Als ein Bewußtwerden von Naturzeit inmitten ihrer Zersplitterung durch die gesellschaftliche Zeitapparatur. Und wie im Feld des chaotischen Attraktors eine Unzahl von Zuständen immer wieder passiert wird, allerdings aperiodisch, mit dem Schein des Periodischen, und niemals identisch, sondern lediglich annäherungsweise; wie sich im Einzugsbereich des "strange attractors" trotz der Unvorhersagbarkeit von Zustandsänderungen und Verlaufsstrukturen selbstähnliche Muster und Figuren ergeben und stabile Wahrscheinlichkeitsstreuungen von der Bestimmtheit des Chaos zeugen: so erweisen sich auch die Verläufe von Cages Musik als determiniert. Von der verabredeten Gesamtdauer und den time-brackets der Einzeldauern organisiert und, wiewohl unvorhersagbar, über die Dichte- und Assonanzgrade der Klangaggregate schemenhaft strukturiert. Bei Cage bleibt der Unsicherheitsfaktor und das, was als Zufall und chaotische Wahrnehmung umschrieben wird, à la longue der Statistik unterworfen. Die Wahrscheinlichkeitsverhältnisse, auf die sich Stockhausens "statistische Form" in Nähe zur modernen Naturwissenschaft beruft, bleiben auch für Cage relevant. Bei ihm allerdings - im Unterschied zu Xenakis, Stockhausen, Boulez oder Ligeti - ohne dramaturgische Bindung.

          Was Stockhausen "statistische Formvorstellung" nennt, kennzeichnet einen Paradigmenwechsel. Nunmehr geht es in der durch sie charakterisierten neuen Musik um "Grade der Dichte von Tongruppen", um "annähernde Bestimmungen" also.(31) Für das Zusammenhangsbewußtsein des Hörens heißt dies Orientierung am Wechsel der Stärke-, Größen- und Maßverhältnisse der Parameter von Tonhöhe, Dauer, Klangfarbe, Dynamik oder Geschwindigkeit. Formbestimmende Gradrelationen nach Skalierungen wie "durchschnittlich, vorwiegend, ziemlich, insgesamt, annähernd" gehören zum Wesen der "statistischen Form".(32) Was Cages Komponieren vor diesem Hintergrund bedeutet, betrifft aufgrund seiner Philosophie des Unwiederholbaren und Antidramaturgischen vorrangig das Verhältnis von "Struktur und Erlebniszeit". Ihre Definition als abhängig von der "Veränderungsdichte" konstruiert bei Stockhausen noch Entsprechungen zwischen "überraschenden", sprich unerwarteten "Ereignissen" und ">Kurzweiligkeit<", resp. zwischen "Wiederholungen" und ">Langweiligkeit<". Allerdings mit der Einschränkung, daß eine "permanente Folge von Kontrasten" nicht anders als eine Reihe "ständiger Wiederholungen" aufgrund des fehlenden >Überraschungseffekts< zu einer "einzigen Information nivelliert" werde.(33) Deshalb hält die mögliche Disproportionalität zwischen Veränderungs- und Erlebnisdichte den Komponisten dazu an, sich auf der "schmalen Klippe zwischen einem Zuviel an Entsprechungen und >Wiederholungen< oder aber einem Zuviel an >Kontrasten< - das heißt einem Zuwenig an nacherlebbarer Folgerichtigkeit" zu bewegen, "wenn er die Erlebniszeit von der Struktur aus in den Griff bekommen will, wenn er die Struktur von der Erlebniszeit her formen will".(34) Die von dieser Balance her gegen Cage gefällten Urteile sind ebenso bekannt wie kritisch. Was dagegen nicht in den Sinn kam, ist der Gedanke, ob das, was die Dichte in den komplexen Stücken der Etudes Australes, so dem siebten des ersten Bands, oder den Freeman-Etudes ausmacht, nicht auch generell und abweichend von der üblichen Kontingenzbestimmung des Aleatorischen gerade als ein Phänomen der Überdeterminierung zu gelten hat. Insofern vom Maß der Logizität her die Beziehung zwischen den Tonkonstellationen dermaßen vieldeutig wird, daß sie nur noch als zufällig empfunden werden kann. Bedingt, wie die Rehabilitationsphilosophien des Zufalls dies formulieren würden, durch ein beschränktes Sensorium.

          Schon Xenakis' Umgang mit Klangmassen im Aktionsfeld von Zufall und Notwendigkeit, mit dem Problem also, nach welchen Regeln Ordnung in Chaos umschlägt, wie chaotische Formationen gebaut, wie sie manipulierbar sind, beruht ja auf der Einsicht, daß einzig Simulationen des Zufalls möglich sind. Zum Beispiel mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Simulationen deshalb, weil das statistische Denken noch bis ins Unbewußte hineinreicht. Von dieser Überzeugung eines ohnehin unrealisierbaren absoluten Chaos aus organisiert Xenakis das Drama von Zufall und Notwendigkeit zu einem Agon, dessen Eruptionen in der Regel an Szenarien der Gewalt und des Schreckens erinnern, an ihre Auflösung und Regeneration. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung wird zu einer Art trojanischem Pferd, das aus der mathematischen Konstruktion die Musik eines gleichermaßen exzessiven wie kontrollierten Spät-Fauvismus entläßt. Eine Musik, die über Analogien zwischen Natur, Technik und Gesellschaft den Triebgrund der Zivilisation ebenso freigelegt, um deren Archaik rational zu brechen, wie sie über die Zerfalls- und Verdichtungsprozesse von Tonpunkten, Klangstreuungen und deren Massierung zu Schwärmen und Nebulae die Vermassung des Individuums reflektiert: vor dem Horizont moderner Kriegs- und Angsterfahrung. Wenngleich des öfteren um den Preis eines Glissando-Manierismus, der die minderen Werke Xenakis' der Einfallslosigkeit des Technizismus annähert. In den starken kammermusikalischen Stücken wie Tetras, Herma, Nomos Alpha oder den großen Orchesterwerken dagegen erreicht die stochastische Organisation Szenen der Kontinuität und Detonation, der Deterritorialisierung und Reterritorialisierung von Ordnung und Unordnung, die jeden privaten Expressionismus hinter sich läßt. Gesteuert von einem imaginativen Konstruktivismus, den Deleuze/Guattari im Unterschied zu Cages Rhizomatik noch jener Baumstruktur subjektkalkulierter Erkenntnis zuordnen, die bei Xenakis in den Verästelungen der "arborescences" buchstäblich zu einem entscheidenden Formanten wird.

          Daß Xenakis den Zufall zwar als ein ästhetisches Gesetz akzeptiert, dessen Gesetzmäßigkeit in Form eines undurchschauten Zusammenhangs existiert, den Zufall aber gleichwohl dramaturgisch bindet, macht die Differenz zu Cage aus. Während Xenakis die technische Aisthesis der Gegenwart auf die Episteme der Massengesellschaft hin durchschlägt und zugleich gegen sie wendet, dadurch aber das Sensorium in Richtung einer illusionslosen, politisch wachen Souveränität schärft - zugestanden mit einer Neigung zur kosmischen Relativierung von Geschichte nach dem Maß der antiken Tragödie -, verweigert Cages Musik jegliche noch so fragmentierte Prozessualität und sei es die der Entropie. Damit entäußert sie sich zugleich der Kategorien von Eingriff und konkreter Negation. In deren Ablehnung als zu emotions- und subjektzentriert liegt Cages Grenze, so wie umgekehrt die Intelligenz dramaturgischer Varianten die Brisanz einer durchkomponierten Musik ausmacht. Die Reflexionskraft des Orchesterstücks Morendo von Mathias Spahlinger und dessen an Tinguelys Schrottmontagen erinnernde Assoziation einer leer in sich kreisenden Maschinerie beweist zur Genüge, was schlüssiges Dekomponieren an ästhetischer Erkenntnis realisieren kann; was die Artikulation des Wiederholungszwangs, des Oszillierens zwischen Mechanismus und Organismus und die letzten Endes fragile Freisetzung brüchiger Einzelelemente vom Diktat des Rotierens an politisch geweiteter Metaphorik zu vermitteln vermag: ohne daß der Status quo und sein verschüttetes Freiheitspotential moralisierend bebildert werden müßten oder die Musik in dieser Metaphorik aufginge.

          Cage will unter dem Einfluß des Zen das Ich als den Monopolisten kleinlicher Gefühle entmachten und ihm sämtliche Projektions- und Spiegelflächen entziehen. Die Absicht, mit dem Ego zu brechen, richtet sich gegen eine Selbstsucht, die ihre Emotionen und Wertschätzungen zur Aura der Individualität stilisiert, ohne zu sehen, wie sich die psychischen Muster zusammen mit einem Gedächtnis der Vorurteile und der Kontrollmnemonik, der Herrschafts- und Unterwerfungsmoral der allgemeinen Anpassungsleistung überantworten. Gerade weil die ichvereinzelten Selbstbehauptungssysteme aufgrund scheinbarer Einzigartigkeit sich zueinander als rivalisierende Monaden verhalten, gehen sie um so leichter in der Psychopathologie der Gesellschaft auf. Auch deshalb muß die Mauer des Ego zerstört werden, in dessen Gefühlskult Cage einen Empfindungsterror argwöhnt, der die gesellschaftlichen Probleme eher verschärft, als zu ihrer Lösung beizutragen.

          Nach Maßgabe einer emotionalen Abrüstung kümmert sich Cage daher nicht mehr - wie die Musik der Energieausbrüche - um Epiphanie und Parusie oder um das jetztzentrierte Movens von Erinnerung und Erwartung, mit dem sich das Selbstbewußtsein im Kunstwerk für die zerrüttete reale Zeit schadlos hielt; und schon gar nicht um die affektive Meteorologie der Seele, sondern darum, "to make a musical composition the continuity of which is free of individual taste and memory  (psychology) and also of the literature and >traditions< of the art".(35) Für Cage hängt deshalb die >Öffnung der Persönlichkeit< eng mit der >Öffnung des Werks< zusammen: vornehmlich um der Chance radikal "verschiedener Interpretationsmöglichkeiten" wegen.(36) Zumal laut Cage das geschlossene Werk die Durchhalte- und Rückvermittlungsinstanz des Ego und die Selbstgefälligkeit des Künstlers wie die seines Publikums bestätigt. Hier allerdings krankt die Argumentation an einer Pauschalisierung qua Enthistorisierung des geschlossenen Werks: sofern sich Cage unausgesprochen an der Ära der Tonalität orientiert und dies unterderhand generalisiert. Deren dramatisch-psychologische Musik erlaubt spätestens seit ihrer kulturindustriell beeinflußten Rezeption, von einer Objektivation der Eigenzeit des Subjekts und deren possessiven Erlebnis- und Verarbeitungsnormen durch die tonale Sinnorganisation und Zeitrhetorik zu sprechen. Oder davon, daß die Synthesis dieser Musik als Teil des Machtfaktors homo dialecticus dessen beutemachende Mnemotechnik stabilisiere. Daß seit den Werken der Wiener Schule dem Narzißmus der verinnerlichten Projektion und der mnemonischen Sicherheit systematisch der Boden entzogen wurde, übersieht Cage - mit nicht geringen Folgen für seine Theorie des Subjekts und der Wiederholung.

          Cages Unbekümmertheit um das Überkommene, bis hin zu dessen dadaistischer Maskierung im Vorschlag einer Simultanaufführung aller Beethovensymphonien als der einzig erträglichen, unterschätzt zweifellos die Wirkung der Lysis in der abendländischen Kunst: das Bündnis von Eros und Mnemosyne. Cage, der nur die Verfallsform des Subjekts sieht, verkennt die zumindest punktuelle Abrüstung egomaner Selbstbehauptung in einer Musik mit Ereignischarakter, vormals dem des erfüllten Augenblicks. So sehr Cages Esprit von der Sorglosigkeit um die Überlieferung herrührt, so sehr negiert er die humane Seite der Wiederholung. Daß Cage Wiederholung nur unter dem Aspekt der Egozentrik und des Todestriebs begreifen konnte, - wiewohl er das Vokabular der Psychoanalyse aufgrund ihrer Gedächtnisinsistenz von Erinnerung und Durcharbeiten abgelehnt hätte -, blendet die lösende und befreiende Wirkung der Anagnorisis im durchkonstruierten Werk aus. Die Bindung an das assonanz- und wiederholungsgeleitete Wechselpiel von Retention und Protention, von Erinnerung und Antizipation, und die Versenkung in das notierte, wiederholbare Werk. Zu Recht mißtraut Cage zwar einer Rede vom pluralen Subjekt, die dessen neurotischen Kern vergißt, jenen Kern, dem seine Musik die emotionale Zulieferung verweigern will. Indem Cage aber keinerlei emanzipatorische Kraft des subjektiven Faktors gelten läßt und Subjektivität zu sehr mit Innerlichkeit verwechselt, konserviert auch er ein Stück weit deren Panzer. Die Verweigerung von Identität arbeitet der Identitätslosigkeit zu. Darin bleiben Cages Aleatorik und sein universal veranschlagtes Prinzip des Zufalls partiell. Ist Cages Oeuvre auch polytopisch verfaßt - keiner der neueren Komponisten bis auf Ligeti hat eine vergleichbare Vielfalt und Divergenz aufzuweisen, selbst wenn deren Ausdifferenzierung rudimentär ist -: es wird als dieses Oeuvre im Formenkreis der neuen Musik selbst zum Moment.

          So repräsentiert das "Subtraktionsverfahren" in Cages Quartets I-VIII oder den Hymns and Variations zum Thema Geist und Buchstabe im Zeichen der Auseinandersetzung der neuen Musik mit Überlieferung und Tradition nur eine Facette. Ruzickas Einstrahlungen für großes Orchester, die die 40stimmige Motette Spem in alium des englischen Renaissancemeisters Thomas Tallis dem Zwielicht von Nähe und Ferne aussetzen, um Geschichte modellhaft aufzuladen, stehen Cages Quartets und deren Reflexion von Gegenwart im Zeichen des Vergangenen in keiner Weise nach. Im Gegenteil. Während bei einer Aufführung der Quartets I-VIII Monotonie aufkommt, sofern die Idee der Ausradierung sich verselbständigt und die Musik zum langatmigen Exempel und Ausexerzieren einer Methode ausdünnt, entfaltet Ruzicka eine Szene der Verschattungen und Brüche, die "Aura" entbindet. Das also, was Benjamin die "einmalige Erscheinung einer Ferne" nennt, "so nah sie sein mag".(37) Eine Stelle wie die, an der zehn Solostreicher das rhythmisch variierte Zitat des Motettenbeginns aufgreifen, wird zum Menetekel inmitten eines Umfelds, in dem sich die Idiomatik Tallis' und die Tonsprache der Moderne wechselseitig zu absorbieren suchen, um sich doch nur mit der Attraktion des Fremden aneinander zu reiben. Während Cage in den Quartets Vergangenheit als Vergangenes bilanziert, legt Ruzicka über den Palimpsestcharakter beider Kompositionen hinaus semantische Höfe frei. Gedächtnis wird zum Eingedenken, in das sich die Diagnostik von Gegenwart im Versuch einer Spiegelung, einer Reflexion historischer Ferne einschreibt.

          Indem Cage die Auseinandersetzung mit der Tradition selten planvoll und musikalisch immanent austrägt, verweigert er sich jenem strukturellen Komponieren, dessen Orientierung an Kriterien wie Gedächtnis, Mnemosyne, Dekonstruktion, Kritik oder Entwurf eine Stärke neuer Musik ausmacht. Im Vergleich mit Cage sind daher etwa weniger Lachenmanns Destruktion ästhetischer Normen oder seine ungewohnten Spieltechniken relevant als vielmehr deren dramaturgische Vermittlung. Lachenmanns kompositorische Gedankenarbeit will zu denken geben, den Hörer nicht hörig, sondern hellhörig machen, indem sie die Musik eine vom philharmonischen Diskurs her verfemte Sprache reden läßt, Purifizierung als Verarmung aufdeckt und den Ton als eine spezielle Form des Geräuschs denotiert. Doch erst der überlegt, bewußt ins Zentrum des Cellostücks Pression gesetzte reine Ton kann inmitten eines Ambientes, das den Ordinario-Klang konsequent meidet, die Semantik der Ausnahme entfalten: die seiner vergänglichen geschichtlichen Dominanz, seiner Umwertung durch Material und Geräusch sowie seiner melancholischen Aura als der seiner Verunmöglichung. Auch wenn bei Lachenmann immer wieder vorschnell der Beckettsche Punkt einer Musik der Absenz und Verweigerung ausgemacht wird, der sie zwar an den Rand ihrer Aufhebung gleiten läßt, aber mit dem Zwang, ständig weiterkomponiert zu werden: erst die Autopsie des Tons in Lachenmanns musique concrète instrumentale hat den Zusammenhang zwischen der Reflexion bzw. Nicht-Reflexion der Materialbasis des Klangs und dem damit korrespondierenden musikalischen Diskurs einsichtig gemacht. Darin vergleichbar Derridas Metaphysikkritik und ihrem Nachweis der Untrennbarkeit des Sinns von dessen medialer Matrix. Der Platonismus einer Musik des reinen Tons und der reinen Idee, ablösbar von Material, Genese und Produktion, ist endgültig passé.

          Seitdem die Gewalt des Machens und des Machbaren mit ihrem Konkretionswahn, ihrem Beschleunigungsterror und ihrer Phobie vor der Verweigerung des Lassens noch in die intimsten Winkel kriecht, gewinnen die ästhetischen Auslöschungsverfahren der Fragmentierung, des Abbruchs, des Verstummens, der Abwesenheit und des Schweigens an Relevanz. Varianten dieser strukturellen Refus finden sich bei Cage in der Stille von 4'33'', in den graphisch präsenten, obgleich unhörbaren, weil aus dem Lot fallenden Klängen seiner Konzeptnotationen wie den Variations I, in den Ausradierungen der Quartets oder der wechselseitigen Annullierung der Ereignisse in HPSCHD und A House full of Music. Extreme äußerster Dichte und Leere sind im Zeichen des Zeros und der Stille-Konzeption Cages nur scheinbare Kontraste zwischen einer Musik der Massierung, die in den Musicircus-Projekten der Unhörbarkeit zuläuft, und einer des Schweigens wie in 4'33''. Zwar sind für Cage die "Probleme der Musik" nur lösbar, wenn "Stille als Grundlage" genommen wird(38), zugleich aber verdeutlicht ihm der Vergleich eines "leeren Blatts Papier - Mallarmés weiße Seite - mit der Stille", daß "der kleinste Fleck, das kleinste Zeichen, das unscheinbarste Loch, der kleinste Fehler oder der kleinste Klecks die Gewißheit (geben), daß es keine Stille gibt", "Mallarmés Schwindelgefühl" also "überflüssig" ist(39). Abgesehen vom fragwürdigen Vergleich zwischen akustischer Idealität und visueller Realität zeigt sich hier über den Differenzgedanken der Moderne nun seinerseits - wie vorhin bei Lachenmann - Cages Nähe zu einem zentralen Gedanken Derridas; gerade was die gegenseitige Durchdringung und Nichtbehinderung der einzelnen Klänge betrifft, die sich in ihrer Vielfalt nur auf der Basis von Stille ereignen können, ohne daß diese ihrerseits als reine Essenz, als absolute Stille verfügbar wäre. Schließlich basiert auch Derridas Dekonstruktion des philosophischen arché-Prinzips im Anschluß an Saussure darauf, daß sich Zeichen und Wort, um Zeichen und Wort zu sein, nur durch Trennung und Zäsur von und zu allen anderen Zeichen und Worten konstituieren können: im Text als einem zur Unendlichkeit der differentiellen Verweisungen entgrenzten azentrischen Zeichengewebe der Trennungen und Bündnisse, während die "différance" als referentielle Lücke dem Text stets vorausliegt, ungreifbar als ontologisches Substrat und erzeugt erst vom offenen Spiel der Zeichen.

          Trotzdem unterscheidet sich Cages Starkmachen des Zeros als eine Depotenzierung der falschen Potenz vom Ombra-Ton der neuen Musik: von der Geste des "Entlöschenden", des "Morendo"- und Torsohaften, kurz: vom Prinzip der Dramaturgie. Was Lachenmann in deren Sinn noch mit expressiver Emphase demonstriert und demontiert, sucht Cage empathielos zu erreichen. Darin entspricht seine Ablehnung der Intentionalität dem Außerkraftsetzen der ästhetischen Überlieferung und ihrer Postulate. Eine andere Facette solcher Ausstiegsversuche aus der Tradition findet sich als Tilgung von Form und Struktur in der anarchischen Harmonie der späten Zahlenstücke, etwa in Sixty-eight oder 101. Cage greift hier mit der Vorstellung des "audible cloth" einen zentralen Topos der neuen Musik auf, der den Text des Komponierten als Textur, als Gewebe denkt. Meist in einer von den Komponisten selbst ins Spiel gebrachten Metaphorik. Ob in den Webmustern von Feldmans Coptic Light, in Ligetis feingewobenen Netzgebilden schon der frühen Orchesterwerke oder im Klanggewebe von Xenakis' Aroura. Auch Cages Klangfäden der Zahlenstücke von 1992 wie Twenty-six, Twenty-eight, Twenty-nine, Fifty-eight flechten Musik als "hörbaren Stoff". Organisiert über flexible oder fixe "time brackets", modelliert von den Zeitplateaus der einzelnen Spieler aus, mit dem "brushing in and out" der Töne in die und aus der Zeit, distanzieren sich solche Gespinste entschieden vom Koordinationsgitter rhythmischer Zeitskandierung. Ähnlich Christo zieht Cage akustische Stoffbahnen durch die Wüstenei der konventionellen Klanglandschaften. Aber anders als Ligeti läßt Cages Aufhebung jeglicher Synthesis von Entwicklung und Produktion den Versuch, dem Klangstoff dramaturgische Muster einzuschreiben, ins Leere laufen. Ligetis Klanggewebe Atmosphères und Lontano inszenieren demgegenüber nach Art der Turbulenzen und Strömungen komplexer Systeme noch eine Selbstorganisation des Unberechenbaren. Dessen Bedrohlichkeit resultiert in Atmosphères aus den polydynamischen Verschiebungen und crescendierenden Sogwirkungen solcher Mikroperipetien, deren Wirkung unabsehbar ist. Entscheidend bleibt, daß Ligetis akribisch durchorganisierte Partituren, die ausnahmslos der Intention des Komponisten obliegen, den Eindruck des Eingriffslosen und einer Autopoiesis vermitteln, die Ligeti selbst einmal anläßlich seiner Orgelkomposition Volumina als "leere Form" charakterisiert hat. Während sich jedoch bei Ligeti die Interferenzen eines Klangkörpers durch kaum hörbare Abweichungen in Rückkopplung zu ungeheuren Wirkungen potenzieren; während der Energiefluß eines amöbenhaften Organismus die Dramaturgie zwar hörbar werden läßt, die Konstruktion aber verschleiert und dadurch die Phantasmagorie der Klangmetamorphosen als eine des Unheimlichen, gleichwohl Faszinierenden enthüllt, mehr noch: mit der Dekonturierung zum Ungewissen und Unbekannten das atopische Bewußtsein der Moderne formuliert, zeichnet das absichtslose Fließen in Cages "number pieces" und ihren Fluktuationen zwischen Dichte und Transparenz eine Musik ohne Antlitz. Eine Musik des Schleiers, die nichts verhüllt.

          Da Gesellschaft aber nach wie vor psychosoziale Dramen und über die Köpfe hinweg verlaufende ökonomische Prozesse produziert, da zudem die Zeit der Individuen immer noch kausal verfaßt ist, behält die Rhetorik der Folge wie des Zerfalls, der pschographischen Fragmentierung wie des geschichtlichen Entwurfs ihr Gewicht. Zumindest in einer Musik, die zeitgenössisch, weil an der Zeit ist, deren dramaturgisches Komponieren jedenfalls konkrete Negation ermöglicht. Am vordergründigsten in zahlreichen Kompositionen Kagels, in denen die Musik ihren eigenen Kommentar als kritischen Subtext produziert, wie im Streichquartett von 1965/67 zum Ritual- und Hierarchieverständnis der Quartettkultur und ihrer gesellschaftlichen Basis. Noch die Strukturierung menschlicher Atemgeräusche in der neuen Musik belegt, was Konnotationen aus der Logik des Werks heraus zu leisten vermögen. Ob expressis verbis in Schnebels Atemzügen, ob in der vierten Region von Stockhausens Hymnen, ob im Ikarus-Sujet aus Lejeunes Parages oder in Spahlingers Streichquartett Apo do. Die Semantik, die sich in solchen Kompositionen zwischen Suspirium und Suspension entfaltet, changiert zwischen Anspannung, Angst und Befreiung und wird in der Vieldeutigkeit ungedeckter Projektion zur Chiffre gegenwärtiger condition humaine. Spätestens hier stellt sich die Frage, was bei Cage aus der Angst geworden ist; was bei ihm womöglich untergeht, von anderen Komponisten aber auskomponiert wird, und was sich hinterrücks als Gehalt seiner Musik durchsetzt.

          Neben seiner strukturellen Funktion wird das Glissando als Negation des diskreten Intervalls, als Unterhöhlung der Tonstufen-Ordnung zu einem in der Musik der Moderne bevorzugten Ausdrucksmittel von Erwartung, Gefahr und Angst. Oftmals eingebunden in eine Crescendo-Wirkung. Varèses Einsatz von Sirenen in Ionisation; das von Henry realisierte Finale von Orphée 53, Le Voile d'Orphée; Xenakis' Diamorphoses oder der Beginn seiner Orchesterkomposition Metastaseis sind einige frühe Beispiele dafür. Wegweisend für den Crescendo-Effekt der Bedrohung war Weberns viertes der Orchesterstücke opus 6. Ein Stenogramm der Gefahr ohne funktionsharmonische Vernetzung; mit der Umkehrung der Folge von tragischem Höhepunkt, Zusammenbruchsfeld und Epilog zum Vorspiel einer Katastrophe; markiert durch das bruitistisch anschwellende Schlagwerk, das mit dem Ende in einen Sog des Entsetzens mündet. Cage, der sich dem expressiven Crescendo- und Decrescendo-Duktus gegenüber reserviert verhielt, weicht bei der Behandlung auch dieses Moments vom gängigen Idiom ab. Seine Glissando-Komposition erreicht in Ryoanji eine meditative Ruhe fernab jeder esoterischen Mode. So wie Cage ja generell der von konstruktiver Ratio dominierten neuen Musik unter Enthüllung der "reißenden Zeit"(40) und ihrer Chronophagie den Ausdruck von Stille und Gelassenheit zugebracht hat. Explizit im String Quartet in Four Parts. Und nicht selten wird wie in manch statischen Sequenzen der Anatomie des Tons bei Scelsi oder Lachenmann die Präsenz der Stille bei Cage gleichsam selbst zum geöffneten Ohr der Musik; so in der solistischen Version von Atlas Eclipticalis.

          Schon das Glissando-Detail gibt zu erkennen, daß Cage auf Angst nicht mehr gestisch oder mit Empathie reagiert. Ihre Objektivation in prozeßhaften Formanten wie Klimax und Zusammenbruch, die in Ruzickas Metastrofe eine so gewichtige Rolle spielen, sucht man bei ihm vergebens. Liest und hört man jedoch Cage gegen Cage - gegen seinen von McLuhan und Buckminster Fuller gestützten Optimismus beispielsweise, an dem er in späteren Jahren selbst immer mehr zu zweifeln begann -, dann kehrt sich der Ausdruck der Musik oft genug gegen die Konzeption und das Notierte. Cages Komponieren hätte nicht den Rang, den es innerhalb der zeitgenössischen Musik einnimmt, wäre es nicht auch musica negativa. Als solcher gibt es in ihr ungeachtet der Nicht-Intention ihres Autors Stellen des Bedrohlichen, ja Katastrophischen. Obschon Cage seine Musik nicht mit pathographischen Modellen in Verbindung gebracht sehen wollte, lädt sie sich damit auf. So in manchen Realisationen der späten Zahlenstücke für große Besetzungen wie Sixty-eight. In Partien, deren Prototypen in Bergs und Weberns Orchesterstücken opus 6 oder Varèses Hyperprism, Ionisation und Déserts zu finden sind. Indem freilich solche Valeurs bei Cage in eine dramaturgische Leere fallen, nehmen sie den Unterton des Inflationären wie Unabänderlichen an. Ohne die Intentionalität des Widerstands in der Faktur sind sie, bis hin zum Ausdruck des Affirmativen, eher dem Verhängnis ausgeliefert, als daß sie dieses zu fassen oder überhaupt als Angst zu artikulieren wüßten. Manche Versionen des Solo for Piano, der Klavierstimme des Concert for Piano and Orchestra, lassen an den Gedanken vom "zerbombten Bewußtsein" denken, eine Formulierung Adornos, der seine Reaktion anläßlich eben dieses Klavierkonzerts als eine des "Entsetzens" beschrieben hat. Darin ist Cages Musik gewiß mehr eine der Versagung und Destruktion als eine der Befreiung. Eine Musik, der gegenüber Berios Sinfonia etwas von elegantem Styling annimmt. Will Cages Komponieren ausdrücklich der Repräsentanzlosigkeit verpflichtet sein: sein diagnostischer Aspekt, sein Traditionskontext und der davon bestimmte Rezeptionsfokus sind ihm konstitutiv. Mithin bleiben seine Absicht, "die Töne dahin gehen zu lassen, wohin sie wollen, und sie das sein zu lassen, was sie sind"(41), sowie seine Mahnung, ein befreites Hören hätte nur die Klänge an sich zu hören, geradezu naiv. Hierin liegt eine Parallele zu jener Attitüde, mit der Cage, verführt von der Designifikanz der Musik und unbekümmert um erkenntnistheoretische Probleme, allzu leicht dem Zen-Gefühl des Ausstiegs aus dem historisch normierten Bewußtsein nachgibt. Anders als Wittgenstein, der stets die Grenzen des Sprachgefägnisses vor Augen hatte, zergehen Cage unter östlichem Einfluß die abendländischen Dualismen und das sie begleitende Differenz- und Schuldbewußtsein zu schnell und spurenlos; etwa die platonischen Dichotomien von Zeit und Ewigkeit, von Augenblick und Dauer und ihre christliche Diesseits- und Jenseits-Trübung, die Cage schlicht der Vulgärdialektik zurechnet. Das heißt einem Denken, das aufgrund der "Lügen" von "Ja und Nein"(42) unfähig ist, "Gegensätze" als "Nicht-Gegensätze" zu sehen; zu schwach und deshalb zu imperialistisch, um "Chaos und Ordnung" nicht dem Satz vom Widerspruch zu unterwerfen.(43)

 

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Konnte Adam von Fulda gegen Ende des 15. Jahrhunderts Musik ihrer Flüchtigkeit wegen noch als "meditatio mortis" verstehen, wird sie vom Bewußtsein des homo faber zunehmend als Entlastung und Erhebung vereinnahmt. In ihr hat sich >Zeit in der Zeit aufzuheben<(44), in ihr vermittelt sich das Gefühl von Unsterblichkeit.(45) Die musikalische Zeit insbesondere erhebt als Kompensation der real zerrissenen und vergänglichen nunmehr gerade Einspruch gegen den Tod; in einer Art Erlösungsmission, die Nietzsches Diktum auf den Punkt bringt: "wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen".(46) In einer sich beschleunigenden Verwertungsökonomie und ihrem Horror vor Ausfallzeiten werden Leben und Zeit selbst zum horror vacui. Der Neuzeit gilt jegliches tempus interruptum als Bedrohung, sofern es das innerweltliche Getriebe auf sein melancholisches Fundament hin öffnet. Während die vita activa wie in Tschechows späten Stücken dem Sog der Schwermut widerstehen soll, soll sich die Welt dem bürgerlichen Expansionsdrang in der Kunst zum narzißtischen Spiegel fügen. Wenngleich nach dem Rückfall des Bürgertums hinter seine Citoyen-Ideale das "omnia ubique" der Werke auf seinen ethischen Grund hin transparent wird: in Werken, in denen es "keine Stelle" gibt, "die dich nicht sieht"(47), die zum "tausendäugigen Argus" werden, "damit die innere Seele und Geistigkeit an allen Punkten gesehen werde".(48)

          Mit dem realen Übermaß an katastrophischer Erfahrung verdichtet sich die Gegenwelt des ästhetischen Kontinuums zunächst noch stärker. Je weniger Geschichte als heilsgeschichtliche Folge zu registrieren war, desto gewichtiger wurde der Organismus-Gedanke, bis auch er nicht mehr zu halten war. Daß alles wechselseitig Zweck und Mittel sei, kulminiert in der Musik um 1800 zum Spannungskalkül von Harmonik und Kontrapunkt und zur Dramaturgie einer motivisch-thematischen Arbeit, die sich final ausrichtet und in Beethovens Symphonik das Bündnis von Zeit und Ideal in Szene setzt. Der ästhetische Schein wird zur Vorschule einer geschichtsmächtigen Theodizee und zur Bestätigung der Autarkie des Geistes. Konsequent attestiert Hegel, dem die prosaische Empirie als "bloßer Schein" galt, den "Erscheinungen der Kunst der gewöhnlichen Wirklichkeit gegenüber die höhere Realität und das wahrhaftigere Dasein"(49). Solche Läuterungsunternehmen weist Cage zurück. Er begreift die "Geschichte der Kunst" als den Versuch, "das Häßliche loszuwerden, indem sie es zu einem Teil von sich macht und es integriert".(50)

          In seiner Ablehnung des Bruchs von Kunst und Leben ironisiert Cage die Verinnerlichungsästhetiken Schopenhauerscher Provenienz. "Wenn das Verlangen gestillt ist, und der Wille zu Ruhe kommt, wird die Welt als Idee offenbar. In dieser Sicht ist die Welt schön und entrückt dem Kampf um die Existenz. Dies ist die Welt der Kunst. Allerdings, Betrachtung allein wird den Willen nicht völlig zur Ruhe bringen. Er wird wieder erwachen."(51) Nicht weniger ist der Geniekult mit seinem Repertoire von Intuition, großem Einfall und Originalität und seinem Vom-Leben-Abgeschnittensein für Cage ein Relikt des 19. Jahrhunderts, eine Flaubertsche Attitüde des "Odi profanum vulgus". Doch "ein Elfenbeinturm existiert nicht". "Vor dem Leben", vor "Krankheit und Tod", vor "Kichern und Reden" als den Irritationen des ästhetischen Rituals "gibt es kein Entkommen."(52)

          Bedeutet "Leben ohne Tod kein Leben mehr", sondern bloße "Selbst-erhaltung", dann liegt im "Akzeptieren des Todes ... die Quelle allen Lebens".(53) Indem die Prosa der Welt in einer Musik präsent ist, die ihre "Umgebung einschließt" und "nicht von Schatten (durch die Umgebung) unterbrochen" wird(54), läßt Cage ein Moment des Todes in die Musik ein: in größtmöglicher Offenheit für die Anfälligkeiten, Störungen und Zumutungen des factum brutum Empirie, gegen die Stilisierungen der Kunst und die Kunst der Stilisierung. "Alles kann allem folgen (vorausgesetzt, Nichts wird als Grundlage genommen)"(55), "kein einziger Klang fürchtet die Stille, die ihn auslöscht", da es "keine Stille (gibt), die nicht mit Klang geladen ist".(56) Es ist dies eine Spur des Todesgedankens, die nichts mit dem von Hegel am Christentum kritisierten "letzten Stündlein" zu tun hat; mehr schon mit der Leichtigkeit des Todesbewußtseins bei Nietzsche, mit der von Adorno so genannten "Ergebung" Schuberts oder mit Feldmans späten Stücken, die dem Ausdruck nach etwas von Kafkas unerlösbarem Jäger Gracchus an sich haben: bewegte Stasis am Rande der Stille. Ähnlich Feldmans Trio, For Philip Guston, String Quartet 2 oder Coptic light umschreibt Cage die Aporie, daß jedes Komponieren Zeit in Beschlag nimmt. Noch seine Arbeit mit dem Zufall ist Formung und Verfügung, sofern sie gegen die Intention des Intentionslosen Töne zur akustischen Präsenz oder Nichtpräsenz zwingt. Dieser mortifizierende Aspekt sensibilisiert Cages Todesfigur ebenso wie der Umstand, daß seine gegen den Schein gerichteten Realisationen in ihrem Stilisierungsrest nicht der Lebens- und Zeitrealität entgehen können. Das heißt einer Grenzgewalt, die im Begriff des "tempus", des "temnein", des "Ein- und Abschneidens" fortdauert.

          Daß Cage den Begriff des Ästhetischen in Frage stellt, verwandelt seine Musik zum fading zwischen Kunst und Realität. Darin denkt sie als "Todfeind der realistischen Ideologie" und im Zug der Avantgarde die "neue Sachlichkeit zu Ende: nichts soll in Kunst ein anderes vortäuschen, als was es ist".(57) Cage folgt deshalb nicht mehr den Bewältigungsphantasien des selbstverliebten Ich. Seine Abkehr vom Theater des Subjekts verlagert die "Verantwortung des Komponisten vom Machen aufs Akzeptieren". Entscheidend ist, zu "akzeptieren, was auch kommen mag, ungeachtet der Konsequenzen" und ohne eine "vorgefaßte Idee von dem, was geschehen wird". Das heißt "furchtlos sein".(58)

          Ungeachtet ihres zenphilosophischen Hintergrunds erinnert Cages Akzeptanzforderung an den Heroismusbegriff Nietzsches. Schon dessen Zeittheorie ohne Jenseitstranszendenz und "ohne ein Finale ins Nichts"(59) hatte einer ateleologischen, von der Ökonomie des Mangels befreiten Apotheose des Lebens durch die Umwertung des "Schon einmal" zum "Noch einmal" das Wort geredet: im Pathos der "höchsten Formel der Bejahung". Gleich Nietzsches "Amor fati" gilt der "Bejahung des Lebens"(60) bei Cage für "heroisch", >die Situation, in der man sich befindet, zu akzeptieren<(61). "Wir alle sind Helden, wenn wir akzeptieren, was kommt".(62) Akzeptanz meint hier in erster Linie, wie Cage ausführt, das Freisein von einer subjektverklärten Egomanie und vom Kolonisierungseifer ihrer Täuschungen und Zurichtungen. In diesem Bewußtsein will er ähnlich der Revolte Dadas den versteinerten Gesellschaftsmythos gegen die institutionellen Dämpfungen der Politik aufbrechen und die Maschen des instrumentellen Denkkorsetts lockern. Die transsubjektive Kraft des Zufalls um des Neuen willen soll die Kunst zu einer "Art Labor" profilieren, "in dem man das Leben ausprobiert".(63)

      Während das geschlossene Werk aufgrund seiner spezialisierten Kompositions-, Interpretations-, Analyse- und Höranforderungen zum Studium einer ästhetischen Sonderwelt anhält, sucht sich Cage den Zumutungen wie den Möglichkeiten der technisch industriellen Welt auf eine geradezu prosaische Weise zu öffnen. Inmitten einer globalen Technisierung und elektronischen Vernetzung, die am wenigsten vor der Besonderheit des Ichs haltmachen, und gemäß dem Kantischen Widerstandsmaß eines Erhabenen der Moderne. Sei es, daß Cage "einige Bilder amerikanischer Maler, zumal Bob Rauschenbergs, dazu verholfen haben", "ohne Abscheu über den Times Square gehen" zu können. Sei es, daß ihm das "Komponieren von Radio-Musik" ermöglicht hat, die allgegenwärtigen "Fernseh-, Radio- und Muzak-Klänge" auszuhalten.(64)

Cage visiert hier das Problem der Ausschließung und deren Aufhebung an. Ein Problem, das er am tonalen Kosmos als einer Ordnung des Erlaubten und Unerlaubten demonstriert. Erlaubt ist der purifizierte Ton, verboten das Geräusch. Ist dieser Akkord, dieses Motiv, diese Syntax, diese Form von der Episteme des Stils und seinen Grenzen her legitimierbar? Spiele ich - abgesehen von der Furcht, den Faden zu verlieren - diese Sektion, diese Variante in der richtigen Dynamik und Phrasierung? Höre ich diese Sequenz als eine Umkehrung der vorangegangenen richtig? Alles Fragen für den Komponisten, den Interpreten, den Rezipienten aus dem Katechismus einer inquisitorischen Musik, wie Cage sie versteht. Indem nach Cage das geschlossene Werk den Akt der Komposition, der Interpretation und Rezeption in ein quasi inquisitorisches Hören verspannt, in den Zirkel von Gehorsam, Hörigkeit und Verhör, übernimmt das Ohr gleich dem Blick eine Überwachungsfunktion.(65) Was Comte und seine Nachfolger als ein Prinzip des positiven Geistes bezeichnen, das "voir pour prévoir", das "prévoir pour prévenir", wird zur Direktive auch des Gehörs.(66)

          Cage hingegen "vermeidet die Vorstellung etwas zu vermeiden. Alles ist möglich". Indem seine Musik "keine Einschränkungen geltend" macht(67), scheint sie einlösen zu wollen, was Foucault als die Mechanismen der Kontrolle, der Selektion, der Organisation und der Kanalisierung des gesellschaftlichen Diskurses analysiert und als die "Prozeduren der Ausschließung" im Namen des "Verbots", der "Entgegensetzung von Vernunft und Wahnsinn" und des "Gegensatzes zwischen dem Wahren und dem Falschen" bestimmt hat(68). Als die Formierung des Zwangs der Wahrheit, des Willen zur Wahrheit und der Macht des Diskurses, deren man sich zu bemächtigen sucht, zur Kastrationsgewalt der Gesellschaft und ihrer reglementierenden Wirkung hauptsächlich in den Bereichen Sexualität und Politik. Wie Foucault behält Cage die Repräsentanz der "ganzen Gesellschaft" im Blick, "unter Einschluß z. B. der Verrückten (sie reden die Wahrheit)".(69) "Man weiß, daß man nicht das Recht hat, alles zu sagen, daß man nicht bei jeder Gelegenheit von allem sprechen kann, daß schließlich nicht jeder beliebige über alles beliebige reden kann. Tabu des Gegenstandes, Ritual der Umstände, bevorzugtes oder ausschließliches Recht des sprechenden Subjekts - dies sind die drei Typen von Verboten, die sich überschneiden, verstärken oder ausgleichen und einen komplexen Raster bilden, der sich ständig ändert."(70)

          In Cages Präsenzzeit des "Alles zugleich" und ihrer Einlösung in den Projekten des Musicircus soll Pluralität deshalb nicht zur Heterogenität zersplittern, sofern von Heterogenität nur von einem Ort der Wertung und der Logisierung aus gesprochen werden kann. Cages "omnia simul", um einen Terminus des Nicolaus Cusanus aufzugreifen, will die Gegenwart der Welt jenseits der Gewalt selbst noch der moralischen Selektionsraster begreifen: "es paßt alles zusammen und verlangt nicht, daß wir es zu verbessern versuchen oder unsere Unterlegenheit oder Überlegenheit dazu fühlen. Es gibt immer Aktivität, doch sie ist frei von Zwang; sie kommt aus der Gleichgültigkeit".(71) Diese Gewähr des "disinterest" hat nichts mit stoischer Apathie und Rechtfertigung zu tun. Gewiß aber mit einer Aporie des modernen Bewußtseins und einer jener kritischen Praxis des Lassens, die stets das Schwergewicht der Katastrophengeschichte gegen sich hat und sich gegen den Sog eines ethisch-politischen Indifferentismus behaupten muß. Abgesehen davon, daß Cages Praxisbegriff demjenigen Adornos näher steht, als man gemeinhin vermutet, können eine Prävalenz des Indifferentismus bei Cage nur Moralnaive behaupten, die zum einen noch nichts vom Repressionspotential der Moral empfunden haben, und zum anderen nicht verstehen können, daß der entzauberte Blick auf die Welt noch lange nicht bedeutet, zum untätigen Mitläufer zu werden oder mit der zynischen Attitüde des Büchnerschen Saint-Just womöglich gar noch Auschwitz zu rechtfertigen.(72)

          Cages zenbuddhistisch gefärbte Sicht einer gleichen Gültigkeit aller Dinge steht quer zur abendländischen Tradition, der eine solche Unterhöhlung des Rang- und Wertungsgefälles seit je verdächtig und nur als Gleichgültigkeit vorstellbar war. Mehr noch: als Ketzerei oder als Ausdruck von Wahnsinn und Krankheit. Gleichwohl läuft dem Trennungs- und Stufendenken untergründig eines der universalen Korrespondenz und Gleichrangigkeit parallel. Essentiell im Spektrum der Mystik. Ein Gegenstrom zur offiziellen Hierarchiedoktrin und einer der Säkularisierung; ob bei Eckhart, Cusanus, Bruno oder Schlegel. Was kümmert die Scheidung in gut und böse, hoch und niedrig, wenn sich der mystischen Schau Erde und Himmel vermählen? Wenn im Universum "der Punkt nicht vom Körper, der Mittelpunkt nicht vom Umfang, das Endliche nicht vom Unendlichen, das Größte nicht vom Kleinsten verschieden" ist? In einem "Universum", das "ganz Centrum" oder dessen "Centrum ... überall" ist?(73) "Daß jedes Ding ... sein Zentrum hat und daß dieses Zentrum immer das wahre Zentrum des Universums ist", war immerhin eines der Hauptthemen von Cages Zenstudium.(74)

          Obzwar die Idee des Musicircus wie Ives' geplante Universal Symphony auf eine Art Kafkasches "Naturtheater von Oklahoma" zielt: was Cage nicht wahrhaben will, ist die oft gegen seinen theoretischen Entwurf affirmativ ins Chaotische und Pathologische abgleitende Tendenz seiner musikalischen Szenarien, selbst wenn ihm utopische Fluchtpunkte wie in Roaratorio gelingen. Wobei die befreite Offenheit dieses Irish Circus on Finnegans Wake vielleicht gerade aus dessen kaum wahrnehmbarer Dramaturgie der subtilen Wiederholung resultiert. Weit eher verfällt Cages Musicircus der unaufhörlichen Dissoziation als einem Stereotyp der Gleichzeitigkeit. Daß in A House full of Music die Simultaneität beliebig ausgewählter Musiken ebenso als Sinnbild einer chaotischen Weltimmanenz aufgefaßt werden kann, ist ein Aspekt davon. In einem Stück wie dem Multimediaspektakel HPSCHD schließlich verdichtet sich die Überlagerung der Ereignisse zu einer Art eingeschwärztem Klanggrund. Unter der von Thoreau entlehnten Umwertungsmaxime Cages: "Musik ist andauernd, nur das Hören ist zeitweise"(75), läuft die universale Entgrenzung von Musik der Entdifferenzierung zu. Und zwar gerade durch die Aufhebung ihres ästhetischen Ausschlußcharakters. Mit der Gleichrangigkeit des Vielen, dessen Quantität die Qualität zum Verschwinden bringen soll, gerinnt der Musicircus zur akustischen Black box, einem Stimmenbabel, das sich dem Widerhall eines warenhaften Pluralismus jenseits von Gut und Böse annähert. Cages Gedanke, wie es anzustellen sei, daß nichts über nichts Gewalt habe, wird selbst zur akustischen Gewalt: zu der des Ununterscheidbaren. Zudem treibt die Massierung der einzelnen Musiken, die sich gegenseitig auslöschen, den Erkenntnischarakter gegen null. Wo man alles hört, hört man nichts. Gelegener kommt Cages zenbuddhistischer Präferenz allerdings die Umkehrung: wo man nichts hört, hört man alles. Beeinflußt von Artauds Theorie des Theaters und ohne Rücksicht auf ästhetische Fragen gerät hier Cage am stärksten ins Fahrwasser des Konservativen. Die Offenheit für die Stimmen der Welt, selbst für das, was landläufig als Gegenmusik gilt, die Idee, das "ganze Leben (werde) zur Musik", sofern wir nur außer acht lassen, "was sich >Musik< nennt"(76), zeigt Züge jugendstilhafter Naivität mit einer Verklärung des Faktischen. Daß Cage anstatt von Chaos lieber von Desorganisation oder von der Vielzahl gegenseitig sich durchdringender Zentren spricht, hat seine politisch blinde Kehrseite: das Eindringen irrationaler Naturwüchsigkeit in die Musik des Zufalls.

 

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Seit der Renaissance lag das künstlerische Soll darin, Einmaligkeit gegen deren Brechung im Code des Allgemeinen zu retten und das in seiner Unverwechselbarkeit kodifizierte musikalische Werk ständig neu erscheinen zu lassen. Kraft einer Wiederholung des Unwiederholbaren. Cage hingegen gibt die Objektstatik des einmaligen und seine Einmaligkeit paradox als Nicht-Identität der Identität reproduzierenden Werks wegen dessen Verdinglichungsbereitschaft auf. Unterliege doch die semeiographische Durchformulierung jenem Kontext von Schrift, Ökonomie und Herrschaft, der die Notation zum Zeichen-Grab der Musik und zur Totenmaske der Komposition gerinnen läßt. Wenn Cage den Propheten im Hörer - vom wiederholbaren geschlossenen Werk her gesprochen -, zugunsten des Akteurs enterben will, nimmt er die Tendenz der ästhetischen Produktion zu Verausgabung und Einmaligkeit ernst. Gegen die Metaphysik der Wahrheit als einer der Wiederholung entäußert seine Nicht-Wiederholbarkeit des Unbestimmten das Phänomen der Wiederholung zu dem der seriellen Differenz. Gegen die Statik von Original und Originalität setzen Cages Serien des Singularen das Nomadentum des Ungewissen. "Man kann nichts genau wiederholen, nicht einmal sich selbst. Das führt zu einer Erfahrung mit derartig vielen Variationen, daß die Dimension der Ähnlichkeit verschwindet".(77)

          Daß Cages aleatorische Streuung in ihrer Objektivation und Realisation häufig Werken des seriellen Determinismus gliche, wurde oft behauptet. Danach erreichen das "gänzlich Zufällige, das seine Sinnferne hervorkehrt und etwas wie statistische Gesetzlichkeit verheißt, und das ebenso Sinnferne einer Integration, die nichts mehr ist als ihre eigene Buchstäblichkeit, ... den Punkt ihrer Identität".(78) Übersehen wird dabei die Differenz, daß ein "nicht-determiniertes Stück" - "mag es auch wie ein total determiniertes klingen - im wesentlichen ohne Intention gemacht (ist), so daß - anders als bei der Resultatmusik - zwei Aufführungen immer verschieden sind".(79) Deshalb ist die Aufführung unbestimmter Werken unwiederholbar.(80) Zudem entsteht in ihnen die Logik der Beziehungen primär durch den Willen des Rezipienten und nicht aufgrund einer in der Partitur kodifizierten Konstruktion des Komponisten. Obwohl Cage in späteren Jahren Aufnahmen seiner Musik gegenüber allzu nachsichtig wurde; obwohl die Konzession an das Archiv der Musik, an die Aufzeichnung seiner auf Unwiederholbarkeit angelegten Kompositionen, Cages enttäuschender Kompromiß mit dem Kunstbetrieb im Zeitalter universaler Reproduzierbarkeit ist, gleichsam die kommerzielle Rehabilitierung des Werkcharakters: die elektroakustische Fixierung seiner indeterminierten Stücke bedeutet von Cages Zufallstheorie her eine Reduktion auf den Objektstatus; ein Stück Verdinglichung als Zugeständnis an den üblichen Lern-, Logisierungs- und Projektionseifer, über Repetitionen strukturier- und domestizierbar. Eine Eingemeindung der unwiederholbaren Differenz in die Gedächtnisakkumulation von Bekannten und als wiederholbare Identität eine Entschärfung von Offenheit und Experiment zum memorablen Besitz eines Werks, das "sich jedesmal gleich an(hört)"(81), weil es das Wagnis des Zufalls seiner Sicherheit unterwirft.

          Cages Vorstellung von Verausgabung und Unwiederholbarkeit bleibt eng an seine Kritik der Repräsentation gebunden, wesentlich an die einer Musik der ausnotierten Strukturen. Eine Kritik am Aufschub zwischen dem idealen graphischen Signifikanten und seiner Realisierung im Akt der Interpretation und Rezeption. Diese Differenz will Cage zum Verschwinden bringen. Durch immer weniger Anweisungen mit immer größerer Wirkung. Hin zu einer Musik, bei der alles zu jeder Zeit eintreten kann. Als Aufschub und Delegation macht Repräsentation eines der Charakteristika abendländischer Episteme aus. Insbesondere seit der Verschränkung von Gattungssubjekt und Fortschrittsemphase mit dem Ziel einer verwirklichten Gesellschaftsutopie. Gegen diesen Eudämonismus der Vertröstung und seinen Verrat am Hier und Jetzt fordert schon Heine, daß die Gegenwart "nicht bloß als Mittel gelte" für den >Zweck der Zukunft<.(82) Auch Cage begreift Linearität als selektive Verweigerung im Unterschied zu den Ressourcen simultaner Fülle. Sukzession bleibt für ihn an den Imperativ der Folge gebunden, den bereits die von Mallarmé projektierte Unbestimmtheit der Leserichtung aushöhlt und die um "abolition" und "silence" kreisende "poésie pure" zwischen Nichts und Absolutheit changieren läßt; gestreut um den Topos der "Leere", der "Lücke" und des "Weißen". So sehr Cages Aversion gegen Werturteile in der Aversion gegen eine Zeit des Zu-Gericht-Sitzens gründet(83), so sehr gründet seine Abneigung gegen die symbolische Repräsentation in der Abneigung gegen Verschleierungen und Verzögerungen. "Kein Ding braucht im Leben ein Symbol, da es deutlich das ist, was es ist."(84) Symbol aber bedeutet Aufschub. Für Cage liegt darin der eigentliche Anlaß, den einzelnen Ton nicht mehr zum Mittel der Repräsentation eines ihm vorausliegenden Sinns zu funktionalisieren. Entsprechend seinem Ideal der pulverisierten Sprache, die jegliche Differenz getilgt hat und nur noch sich selbst bedeutet, ist Cage jenes ästhetische Glück der Sinnlichkeit und der Erkenntnis fremd, das sich dem Netz der flottierenden Bedeutungen und ihrem Luxus der Verzögerung verdankt, den Ver- und Enthüllungen, den Erwartungen und Erfüllungen, dem Eros des Symbolischen also.

          Cages Aversion gegen den Vereinnahmungs- und Besitzhabitus von Gedächtnis, Repräsentation und Wiederholung hat ihren gesellschaftlichen Hintergrund. Für Cage ist es nötig, mit der Erfahrung und Denken verblendenden Disziplinierung und Fokussierung einer Reliquien- und Gedenkkultur tabula rasa zu machen. Erst dann scheint ein Anfang der Veränderung möglich. Devotionalien machen devot. Nie hat Cage seine politische Intention im Kampf gegen die Verkrustungen des Kulturbetriebs verleugnet. Er mißtraute der ">Ausstreuung< von Kultur" durch die "Maschine" als einem Rückzug ins Vergangene und einer Kulturlosigkeit von Museumsverwaltern samt den entsprechenden apolitischen und deshalb sehr wohl politischen Konsequenzen(85). Vergleichbar Emersons und Nietzsches Mißtrauen gegen antiquarische Geschichtshörigkeit. Daß auf dem sogenannten E-Musik-Sektor via Rundfunk und Tonträger alles jederzeit verfügbar sein soll, hat neben dem Effekt des unumschränkten Zugriffs und scheinbarer Fülle zugleich eine drastische Nivellierung zur Folge. Die Beethoven-Symphonie, die um acht Uhr morgens aus dem Lautsprecher tönt, wird zur Nebenbei-Musik, zum musikalischen fast food. Und was derzeit als "Klassik-Radio" die Ohren verseucht, ist Kommerz pur: Musikdesign einer zunehmend gleichgeschalteten Weichspülerkultur. Daß es hierbei noch um Musik gehe, ist reiner Aberglaube. Während die Psychographie der museal gegenwärtigen Musik des 17. und 18. Jahrhunderts den tonalitätsverwöhnten Kunden in bürgerlicher Affektökonomie unterweist, dient der Ausverkauf des Eingängigen nur noch der Normierung.

          Dem elektronischen Mumifizierungs- und Verwaltungskult noch auf dem musikalischen Sektor entspricht ein zurückgebliebenes Gedächtnis. Eines, das als konservatives Integrationsreservoir Unbekanntes abzuwehren oder rückzubinden sucht; zur Bestätigung des Status quo abgerichtet, indem es den steinzeitlichen Überhang des Überlebenskampfes in konkurrierende Behauptungsstrategien überführt, und konform einer Gesellschaft, deren Verdinglichungsmacht und Besitzvereisung zwar ständig nach neuester Technik verlangt, die ihrem ästhetischen, politischen und ökonomischen Bewußtseinsstand nach aber unerträglich vergreist bleibt. Im Mißtrauen gegen dieses Gedächtnis, dessen Sucht nach Verständlichkeit die Entlastung vom Experiment festschreibt, gründet Cages Ablehnung des mnemonischen Fixums und sein antipsychologisches Beharren auf einer "Kontinuität, die nicht mehr versucht, einen Höhepunkt zu erreichen".(86)

          Als Liturgie der Gewohnheit und der Gewöhnung erfüllt gerade der philharmonische Diskurs seine Komplizenschaft mit dem kapitalismusgegängelten formaldemokratischen System. Er verkommt weithin zum Pseudo-Ereignis, seine Mnemotechnik zum Anpassungstraining: Hören als Einübung in die Ritualisierung des Bestehenden. Laut Cage übrigens einer der Gründe, warum es nahezu unmöglich ist, "in Gegenwart eines wohlbekannten Meisterwerks lebendig zu bleiben". "Die Erinnerung ist in Aktion und macht uns aufmerksam auf das, was als nächstes geschenen wird".(87) Selbstverständlich handelt es sich nicht darum, berserkerhaft mit der großen europäischen Musik der Vergangenheit abzurechnen. Wohl aber darum, einer Musik des Heute gegen das Mausoleum der klassischen Tradition gerecht zu werden. Dem Publikum der Symphoniekonzerte, süchtig danach, in immer derselben Musik immer dieselben Dramen zu erleben, verkehrt sich jede goutierte Komposition zur Todesmusik wider Willen. Der Wiederholungszwang wird tödlich, die Lethe im Vergessen des Gegenwärtigen letal. Die Vermarktung des vermeintlich Bekannten steht im Bann einer Kastration, die nach dem Maß der versteinerten Ökonomie die Erfahrung des Neuen abschneidet. Vergangene Musik, die nicht mehr dem Bewußtsein der gegenwärtigen ausgesetzt wird, verkümmert zur philharmonischen Nekrophilie, die einer allseits neurotisch gezähmten Konzilianz dient. Die unheilige Allianz zwischen der aggressionsgeladenen Furcht vor dem Fremden und der panischen Angst vor dem Offenen gerät zum Kotau vor einer in Verwesung übergegangenen Tradition. So hat vornehmlich das Opernrepertoire die Aufgabe übernommen, die Feier der Affekte mit dem stranguliert gelebten Gefühlsleben zum kleinbürgerlich beschränkten, weil seit hundert Jahren eingefrorenen Zirkel der Emotionen kurzzuschließen.

          Vom Anästhesieunternehmen der Kulturindustrie her ergänzen sich letztlich noch Philharmonie und Talkshow. Auch wenn deren Beicht- und Gesprächssehnsüchte, ihre Mischung aus Exhibitionismus und Voyerismus, von der Sucht nach Nähe in Gang gehalten werden; auch wenn in der trivialisierten Bekenntnismentalität der Schmerz der Betroffenheit liegt: stets handelt es sich um das gleiche Recycling ökonomieverfilzten Autoritätsmülls. Mit dem Talkmaster als Leader und Absahner, den Interviewten als seinem Profilierungsinstrument und einer zu Applaus-Statisten funktionalisierten Masse im Kult des Geredes. Alles in allem ein Konsens- und Stillhalteabkommen in immer derselben unverbindlichen Form, frei von der Konsequenz der Veränderung und dem psychosozialen Mechanismus zwischen Dirigent, Orchester, Musik und Publikum täuschend ähnlich. "The masterpieces of Western music exemplify monarchies and dictatorships. Composer and conductor: king and prime minister."(88)

          Cages Ernstnehmen der Empirie will den Bruch zwischen Kunst und Leben im Namen einer Praxis der Veränderung zum Verschwinden bringen. So wirkt sich der amerikanische Pragmatismus Cages - sein Beharren auf dem >Gebrauch< gegen >totes Eigentum< und gegen ein vom Handeln entlastendes Haben sowie seine Insistenz auf einem "Netzwerk sozialer Nützlichkeiten"(89) anstelle politischer Machtgefüge - in einer Konzeption des Aktivmachens aus. Bis hinein in den Bereich der Sprache. "If a lecture is informative, then people can easily think that something is being done to them, and that they don't need to do anything about it except recieve. Whereas, if I give a lecture in such a way that it is not clear what is being given, then people have to do something about it."(90) Für Cage, der beim Schreiben "literarischer Texte" die "gleichen Kompositionsmittel" anwendet wie in der Musik(91), konvergieren Musik und Sprache in einer Desillusionierung des Vertrauten mit praktischer Folgewirkung. Während die auf ihr Überschreitungspotential hin durchschaute und dennoch unbewegliche "Mangelwirtschaft"(92) Abfuhrleistungen erzwingt, um Apathie und Aggression zu kanalisieren, leitet sich nach Cage die "Fähigkeit, die Gesellschaft zu ändern", von der "Möglichkeit" ab, den Geist zu ändern".(93) Bewußtseinsveränderung ist seine Hoffnung, um die Amnesie der Gesellschaft nicht vorschnell als Symptom ihres hippokratischen Gesichts zu diagnostizieren oder anthropologisch zu verabsolutieren.

          Natürlich wußte Cage um das Privileg und um die Beschränktheit der musikalischen Sphäre, ohne die Hoffnung aufzugeben, ihr Modellcharakter könne "Situationen schaffen, die den erwünschten sozialen Zuständen analog sind", und "didaktische" Impulse in Richtung einer praktikablen Anarchie liefern(94). Noch die mörderische Virtuosität, die Cage einer Interpretation der Freeman-Etudes abverlangt und in Richtung des Unspielbaren laufen läßt, steht für das Beispiel einer "practicality of the impossible". Und der Kommentar zu den Stimmen des Orchesterstücks 101 betont: "A performance of music can be a metaphor for society." Stets ging Cage davon aus, Musik habe etwas damit zu tun, "daß man sich ändert".(95) Floriert in der Welt der Kulturindustrie, was sich der Wiedererkennung und dem Entertainement fügt, so hält Cage eine Musik, die sich dem "Publikumsgeschmack beugt", für das "Gegenteil einer ... revolutionären Haltung, weil der Status quo einfach übernommen und bestätigt wird".(96) Während die Unterhaltungsindustrie Ablenkung an das Gebot des Funktionierens bindet und die Einbildungskraft der Linearität ihrer Sprach-, Bild- und Musiksequenzen unterwirft, zielt das Zugrundegehen und Verwandeln der musikalischen Parameter bei Cage auf eine Sprengung der Linie. Auf eine Konfusion, die "zur Unordnung anstiftet"(97), um die Kausalmaschine gesellschaftlicher Dressur und deren Bestätigungsrenditen zu sabotieren. Wie Adorno wendet sich Cage gegen die Besetzung des Bewußtseins durch die Ausschluß-, Stabilisierungs- und Verwertungsimperative einer gerade auch ästhetischen Besitz- und Profitökonomie im mainstream der verkabelten Kommunikationsgesellschaft. Darin kommuniziert Cage's Forderung, etwas zu erzeugen, "das ... uns an nichts erinnert", mit derjenigen Adornos: "Dinge (zu) machen, von denen wir nicht wissen, was sie sind".(98)

          Schlegels Ironisierung der Form, Schopenhauers Reflexion zur Aufhebung des Satzes vom Grund, Kierkegaards Relation zwischen dem "Plötzlichen" und "Gesetzlosen", Baudelaires Strukturgesetz der Ruptur, Nietzsches sardonisches Lachen: in ihrer Subversionsarbeit verdichten sich diese Motive zum Abgesang auf das Ende der teleologischen Idee. Mit ihm verschärft sich die Historisierung transhistorischer Kategorien. Namentlich bei Nietzsche und seiner Entlarvung des Hysteron-Proteron, die letzten, abstraktesten Begriffe als die ersten zu unterschieben; einer Entlarvung des Credos also, das Wahre könne nicht geworden sein. Im Haß gegen das Werden, in der Lüge der Einheit und der Dauer werden die Vorurteile der Metaphysiker als ontologische Verdinglichungen aufgespürt, um sie in die Dynamik von Genese und Genealogie zu überführen.(99) Derselbe Atem der Moderne macht noch bei Cage den Gedanken des "Fließens" stark: im "Prozeß" der Welt und einer ihm adäquaten "Musik der Wandlungen".(100) Von hier aus ergeben sich Spuren zum zivilisationskritischen Natursujet aus Thoreaus Walden oder, was Cages Apotheose des Wechsels und seine Forderung anbelangt, "nicht länger an den Dingen (zu) hängen"(101), zu Nietzsche. Denn wer "nur einigermaassen zur Freiheit der Vernunft gekommen ist, kann sich auf Erden nicht anders fühlen, denn als Wanderer". Weshalb der viator mundi "sein Herz nicht allzufest an alles Einzelne anhängen" darf. Es "muss in ihm selber etwas Wanderndes sein, das seine Freude an dem Wechsel und der Vergänglichkeit habe".(102) Ebensowenig kann Cages Intention wider den verdinglichten Objektstatus, "alles in Fluß (zu) bringen"(103), das romantische Erbe im Impuls der Bewegung und Versöhnung des Erstarrten und Getrennten verleugnen. Ob man an Schlegels Emphase denkt, die "Freiheit des Denkens" wisse "von keinem Stillstande"(104), oder an den seit der Frühromantik virulenten Liquor der universalen Korrespondenzen. Wie bei Jean Paul der Witz gegen die kausale Zwangsjacke "ähnliche Verhältnisse inkommensurabler (unanmeßbarer) Größen" findet(105); wie er bei Schlegel als Attacke gegen das Realitätsprinzip die Liquidation der Verhärtungen mobilisiert, um das Entlegenste zu verbinden und als "kombinatorischer Geist" ohne "alle Absicht und bewußtlos" etwas zu entdecken, "was mit dem Vorhergehenden gar keinen Zusammenhang hat"(106); wie sich bei Baudelaire dank der Imagination "les rapports intimes et secrets des choses, les correspondances et les analogies" entschlüsseln(107): so will auch Cages Simultaneität die "Koexistenz von Ungleichen"(108) zu einer "Vielzahl von Zentren und einer Vielfalt von Zentren"(109) entbinden. Nun allerdings ohne die Regie genialischer Subjektivität und ohne die Klammer sequentieller Logik. Und wenn seit Rousseau die Entfremdungsdiagnosen von Gegentheorien begleitet werden, die von Schiller bis Apollinaire den Künstler die verborgene Verwandtschaft der Dinge in einer poetischen Gegensprache ans Licht bringen lassen, dann liegt der Endpunkt solcher Kommunion in Cages Musicircus, dem es gestattet ist, "alle Arten von Musik zu vereinigen, die gewöhnlich getrennt sind"(110).

 

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Seitdem sich mit der metaphysischen Tradition die metaphysische Aura der Musik zu zersetzen begann - die ethische Apparatur der Tonalität und ihr Sprachcharakter, der Kanon von finaler Zeit und Subjektmächtigkeit, die Geschlossenheit des ästhetischen Organismus - wurde Komponieren zum offenen, "ziellosen Schreiben" ad infinitum.(111) "Ziel ist, kein Ziel zu haben".(112) Für Cage bedeutet die Zersplitterung der homogenen Zeit deren Befreiung aus einer rhetorischen Repräsentanzfunktion. "Nichts ist gesagt, nichts wird mitgeteilt".(113) Poesie heißt, "nichts zu sagen zu haben und eben dies zu sagen".(114) Mit einer insgeheim formallogisch kanonisierten Philosophie, abonniert auf die Wahrheit der Sprache und die Sätze vom Widerspruch und vom zureichenden Grund, ist zugleich die Ära vorbei, in der ein um Beschreibung, Urteil und Botschaft kreisendes Schreiben als Literatur gelten konnte.

          Seit Baudelaire geht es nicht mehr um dichterische Kommunikation, sondern um das "arriver à l'inconnu", wie Rimbaud den Gedanken der "nouveauté" aus den Fleurs du Mal praphrasiert. Unter Aufgabe alter Sicherheiten wagt die Moderne den Aufbruch ins Unbekannte. Begleitet von einer Nautik des Abenteuers bei Hume und Kant und einer der Seelenfahrt bei Goethe, Baudelaire, Nietzsche und Rimbaud. Von hier, vom heroischen Akt des Entdeckens und der Lust wie der Furcht seiner Odyssee aus führt ein Weg zu Cages "experimenteller Musik", "bei der geforscht wird, ohne jedoch schon das Resultat zu wissen".(115) Cage, dem Abenteuer und die Erfahrung von Neuem als Notwendigkeit schöpferischen Handelns galten(116), bindet den Begriff des Experimentellen an eine "Situation, in der nichts von vornherein ausgewählt wurde, in der es keine Verpflichtungen und Verbote gibt, in der nichts voraussagbar ist".(117) Wenn in den Sixteen Dances zum ersten Mal "Charts, Diagramme" benutzt werden, die das "Inventarisieren der möglichen Variationen einer Struktur erleichtern sollen und deren systematischer Gebrauch zugleich von der Qual der Wahl befreit"(118), wird der Komponist zum "Kartographen" einer entlegenen terra incognita. Während die Schriftmetaphorik von Shakespeare bis Eichendorff die Akteure des genus humanum zu Lettern im Buch der Geschichte figuriert und dabei noch vom handschriftlichen Modell und einer Idee des Originals ausgeht, zudem - ob Gott, Weltgeist oder Fatum - von einer federführenden Instanz, drängt sich auf einem hochtechnisierten Planeten mit seinen Produktions- und Destruktionspotentialen das Bild einer gleich mobilen wie flüchtigen Anthropographie auf, deren Spur auf dem globalen Monitor schlagartig verschwinden kann. Bei der sich zumindest die Frage nach einem Zentrum der Regie verbietet. In diesem Bewußtsein ist Cages Musik komponiert: eine "Kunst ins Unbekannte hinein", "weder heiter noch ernst", von der Adorno vermutete, sie sei ebenso "Chiffre von Versöhnung wie von Entsetzen ... kraft der vollendeten Entzauberung der Welt".(119) Eine Musik jedenfalls, die "zu Denken geben" will, ohne daß das Geringste voraussehbar ist".(120)

          Cages Verneinung, daß seine Musik "irgendwohin führt", ist seine Antwort auf das neuzeitliche Ratio-Ideal der Subsumtion des einzelnen unter das Ganze. Indetermination will das Ordnungsbedürfnis des nach Zusammenhang sich sehnende Hörbewußtsein aussetzen, so wie nach Nietzsche die Literatur der Moderne das theokratische Urteil der Wahrheit aufkündigt. Nachdem die Psychologie von Erinnerung und Erwartung ihre musiksprachliche Grundlage verloren hatte und weder einprägsame Motive und Themen noch harmonische Kadenzverläufe oder rhythmische Schemata die narrative Einfühlung befriedigen konnten, bringt Cages présence permanente zu Gehör, wogegen das Subjektmonopol taub wurde. Deshalb insistiert Cage auf der "Funktion der gegenwärtigen Kunst", uns vor "logischen Bagatellisierungen zu bewahren"(121). Deshalb begreift er mit der erkenntniskritischen Moderne die Rubrizierungen der Logik als unzulässige Abbreviaturen und "Vereinfachungen im Hinblick auf das Ereignis".(122) Und wie Nietzsche unter Aufwertung des Ästhetischen die Dignität von Logik und Verstand als eine des Subsumtions-, Schematisierungs- und Berechnungswahns im Dienst der Nützlichkeit aufdeckt; wie Wittgenstein den "Grund der Sprache" freilegt, um die "Luftgebäude" zu "zerstören", die die "grammatischen Täuschungen" und die "Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel der Sprache" produzieren(123), so verstört Cage den Glauben, Musik sei das, was bisher als Musik gegolten habe, indem er ex negativo deren rationalen Bann vor Ohren führt. Wie für Wittgenstein eine "ganze Wolke von Philosophie zu einem Tröpfchen Sprachlehre (kondensiert)"(124), so für Cage eine ganze Wolke von Musik zu einem Tröpfchen Kompositionslehre.

          Diese Kompositionslehre war es, so Cage, die die Mittel bereitstellte, Zeit strategisch aufzuladen, um darin seit Beethoven ihre Bestimmung zu finden. Daß Beethovens mit Hegels Begriffsmacht vergleichbare taktische Rhetorik schon früh registriert wurde, belegen zahlreiche zeitgenössische Quellen. "Ähnlich den verschiedenen Regimentern, welche durch regelmäßiges Manövrieren die Gewinne der Schlacht verbürgen, folgen die Orchesterteile der Sinfonien von Beethoven den zum Nutzen des Ganzen gegebenen Befehlen; sie sind den bewundernswert ausgedachten Plänen untergeordnet".(125) Mit diesem "Bewältigungspathos der Eingriffe in gefährdete und die Ordnung gefährdende kompositorische Verläufe bringt Beethoven dem plan de bataille seiner Partituren und der "Grande armée" des Orchesters Herrschaftsgesten, Überraschungsmanöver und Blitzsiege zu, die denen der politischen Bühne und dem Habitus Napoleons gleichen."(126) Eben dieser Allianz von Zeit und Strategie wegen, mit der Beethoven den Pakt von Telos und Ethos durchzusetzen wußte, repräsentiert der Heros der bürgerlichen Musik für Cage eine Fehlentwicklung ihrer Geschichte. Und diese Kriegsrhetorik von Musik und Sprache ist es, die Cage - ungeachtet ihrer suspensiven und transsubjektiven Ekstasen bei Beethoven - zu denken gibt: die Einkesselungspraktiken des Urteils, das Phänomen Beethoven als eines Napoleons der Musik. Was liegt näher als die Konsequenz, daß in Cages Concert for Piano and Orchestra die Einzelstimmen nicht mehr zur synchronen Diachronie der Generalstabskarte Partitur vernetzt werden?

          Musik und Sprache kommunizieren in der Epoche der Tonalität über ihr affektiv gestisches Idiom. Als symbolisch aufgeladene kann Musik aufgrund ihrer "uralten Verbindung mit der Poesie" zur Sprache des "Inneren" werden. "Dramatische Musik" und die >Eroberung< eines "ungeheuren Bereichs symbolischer Mittel" durch die "Tonkunst" in "Lied, Oper und hundertfältigen Versuchen der Tonmalerei" gehören zusammen. Bis die ">absolute Musik<" zu einer "ohne Poesie schon zum Verständnis redenden Symbolik der Formen" und "des inneren Lebens" wird und die "musikalische Form ganz mit Begriffs- und Gefühlsfäden durchsponnen ist".(127) Noch Wittgenstein vergleicht "musikalische Themen" und "Sätze" in der Hoffnung, die "Kenntnis des Wesens der Logik" könnte zur "Kenntnis des Wesens der Musik" führen(128). In Anlehnung und im Unterschied dazu hat Cages "Bewunderung für alle Dichter, die versuchen, die Sprache von der Syntax zu befreien"(129), jene andere Sprache im Sinn, deren Einsicht in das Fiktive und damit Freie ihres Rapports schon bei Hölderlin den Ausdruck jenseits der Synthesis des Urteils erreichen will. Damit knüpft Cage an die Kardinalthemen der künstlerischen Moderne an: an das der Problematisierung von Urteil und Sprache und an das des Zerfalls der homogenen Zeit. Was die vom Urteil sich absetzende Passion des poetischen Ichs in der Sprachkrisis und Sprachkritik Hofmannsthals einklagt, aktualisiert sich bei Cage zur Forderung einer "Entmilitarisierung der Sprache".(130) Im Gefolge Nietzsches, "dass unsäglich mehr daran liegt, wie die Dinge heissen, als was sie sind"(131), und Hofmannsthals, dem sich die Worte vor die Dinge stellen(132), pulverisiert Cage die "enkratische Sprache", der im Akt des Benennens das Benannte zum "Objekt" gerinnt - und sei es eine "Sternengruppe" unter dem Namen ">Großer Wagen<".(133)

          Es war Nietzsches Vermächtnis an die Moderne, den Wahrheitsanspruch der Sprache zum "beweglichen Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz einer Summe von menschlichen Relationen"(134) desillusioniert zu haben. Daß die Urteile der Logik auf "Zeichen-Convention"(135) beruhen, Wahrheit ihnen somit nicht zugesprochen werden kann und doch als eine "Art Glaube"(136) notwendig sei, ist seitdem ein Hauptparadox. Ein anderes ist, wie nach dem Sturz der Trinität von Gott, Wahrheit und Sprache weiterzusprechen sei. Nietzsche sucht diesen circulus vitiosus zu durchbrechen, um das Erkenntnislabyrinth und seine Polarisierungsfallen von Gott und Gottlosigkeit, Wahrheit und Unwahrheit, Moral und Amoral zu sprengen. Bis sich ihm der Kontext von Sprache, Wahrheit und Moral in der Paralyse des Urteils und seiner kategorialen Ordnung zur Welt des Perspektivismus entzaubert hatte. "Moral ist bloss Zeichenrede, bloss Symptomatologie"(137), und doch eben deshalb der Gott der Grammatik. Da sich in den "Zeichen" der entgöttlichten Sprache als den "Heerden-Merkzeichen"(138) der Konvention aber Ökonomie und Moral verschränken, wird der Tod Gottes zur ontologisch syntaktischen Leerstelle. Der transzendent gebundene Signifikant der Bedeutung, des Benennens und Identifizierens verliert seine moralische Kohäsionskraft. "Gott stirbt, die Wörter fallen auf sich selbst zurück".(139)

          Dieses Bedeutungsvakuum setzt indes eine Sprache frei, die nur sich selbst spricht. Wenn wir Gott nicht loswerden, weil wir noch an die Grammatik glauben(140), dann muß die Zerschlagung der Syntax und ihrer Sinnmoral die theologischen Metastasen im Wertungskonflikt von Gut und Böse zum Verschwinden bringen. Dann muß die Zeitordnung von Schuld und Versagung mit dem Testamentcharakter der Schrift tilgbar sein. Wie für Cage der Purismus der Tonalität dem Leben den Ton entzieht(141), so entzieht der Vampirismus der Sprache den Dingen das Leben. Ein Verhängnis der "Wörter, die uns fortwährend etwas in einer Weise sagen lassen, wie die Wörter es brauchen"(142). Aus diesem Grund fordert Cage unter Berufung auf Artaud, "ein für allemal" aufzuhören "mit den Urteilen Gottes".(143) Seine Empty words machen ernst mit den Strudeln und Abgründen, die Hofmannsthals Chandos überfielen, um sie - anders als die Melancholie des Verlusts - auf eine Freiheit der Möglichkeiten hin zu interpretieren. Cage steht damit in der Tradition jener Entmächtigung der logozentrischen Vermittlungs- und Geistpräsenz, die noch ein so marginales Symptom wie die Einschätzung der chinesischen Sprache belegt. Von deren Abwertung im Klarheitsprimat Hegels und Humboldts hin zur Bewunderung ihrer Mehr- und Vieldeutigkeiten bei Freud und der Faszination solcher Leerstellen, von der sich die Deflation des Sinns in Cages Empty Words inspirieren ließ. In ihnen wie in Cages Mesostics musikalisiert sich die bedeutungslose Sprache gegen den Kommerz des Kommunikativen. Auch Cage zielt, am offenkundigsten in Aria und den Song Books, auf eine Metasprache jenseits der babylonischen Zersplitterung: frei von der Hypothek des Bezeichnens und der Notwendigkeit der Übersetzung und verpflichtet einer Entsemantisierung der verbalen Sprache wie in zahlreichen neueren Kompositionen, mit einer Spannweite vom reflektiert Pathologischen bis zum Utopischen; ob bei Ligeti (Aventures), Evangelisti (Spazio a 5), Berio (Sequenza III), Kagel (Anagrama), Schnebel (Maulwerke) oder Ferneyhough (4. Quartett).

          Nach der Erosion von Syntax und Signifikanz bedeutet die pulverisierte Sprache nur noch sich selbst. Diese Art Einlösung der Idee der "nouveauté" steht am Ende der Geschichte des Subjekts und der Tragödie jenes Vatermords, zu dem göttliche Nähe provoziert hatte. Nietzsche zufolge mußte Gott seiner Zeugenschaft wegen sterben, während das Ende des allwissenden Autors die Variante vom theologischen Vatermord ästhetisch ratifiziert. Gleichwohl wurden der Aufstand gegen die Macht über Gut und Böse, die Aufhebung des inneren Gerichtshofs Gewissen und die Rebellion gegen die Über-Ich-Kontrolle eines spionierenden Gottes im 19. Jahrhundert zu Zerrüttungsfiguren, weil sie an eine neue Willensmetaphysik gebunden blieben. Nietzsches protestantische Melancholie belegt diese Ambivalenz eindringlich. "Wir Philosophen und >freien Geister< fühlen uns bei der Nachricht, dass der >alte Gott todt< ist, wie von einer neuen Morgenröthe angestrahlt"; "endlich erscheint uns der Horizont wieder frei", "endlich dürfen unsre Schiffe wieder auslaufen, auf jede Gefahr hin auslaufen, jedes Wagniss des Erkennenden ist wieder erlaubt, das Meer, unser Meer liegt wieder offen da, vielleicht gab es noch niemals ein so >offnes Meer<.-"(144) Und dennoch "kommen Stunden, wo du erkennen wirst, dass ... es nichts Furchtbareres giebt als Unendlichkeit". "Wehe, wenn das Land-Heimweh dich befällt, als ob dort mehr Freiheit gewesen wäre, - und es giebt kein >Land< mehr!"(145) Und wenn Dostojewskis Stavrogin seine Abneigung gegen "Spione und Psychologen" zum Ausdruck bringt, die "in die Seele dringen", und demgegenüber auf Selbstbestimmung besteht, darauf, "daß es ein Gut und Böse überhaupt nicht gibt", zugleich aber erkennt, durch eben diese Freiheit "verloren" zu sein(146), dann findet das sein Pendant in Nietzsches Aporien einer gottlosen Sprache und den Aporien ihrer Überschreitung. Faszination und Schrecken verschmelzen, wenn im Schwindel der Freiheit der Verlust zum Tragen kommt: im Horizont von Abenteuer, Entdeckung und Offenheit als den Konstanten der Moderne bis hin zu Cage.

         Der Aufstand gegen die göttliche Supervision, gegen deren Präsenz in einer moralischen wie ökonomischen Lebenswidrigkeit, sowie die Last, das Erbe des toten Vaters übernehmen zu müssen, führen zu erneuter Vergiftung des Lebens. "Du hast den Vater töten wollen, um selbst der Vater zu sein: nun bist du der Vater, aber der tote Vater ... jetzt tötet dich der Vater."(147) Erlösung liegt darin, wie die Geständnis- und Bestrafungszwänge der Helden Dostojewskis zeigen, die Schuld der Vatertötung in der Existenz der Vaterlosigkeit abzubüßen, sowie in der Gnade des toten Vaters, Strafe zu gewähren. Während Dostojewski die selbstzerstörerische Hybris des Ausnahmemenschen im >Wahnsinn jenseits von Gut und Böse< vor Augen führt, hofft Nietzsche auf das schöpferische Überwindungspathos "gottloser" Souveränität. Nietzsche will die patriarchale Macht des Wahrheits- und Formkults im Lachen einer gnadenlosen Autoritätskritik bloßstellen; und endet doch wie eine Romanfigur Dostojewskis in Schwermut und Wahnsinn: Umnachtung eines Vatermörders, der als Gottesmörder die "Ordnung der Dinge" herausgefordert hat. Soweit die Situation des 19. Jahrhunderts.

          Reicht aber in der ödipalen Kultur zwischen Triebbegehren und Triebverzicht der "nom du père" als "non du père" Lacan zufolge bis in die Autorität der Form hinein, dann wird Cage zum späten Repräsentanten jenes einst pathetisch vom Aufstand der Söhne initiierten Gottesmördertums. Er will außer Kraft setzen, was Nietzsches Antichrist >Gott als den Widerspruch des Lebens< nennt und was sich ästhetisch zum Monotheismus des Formgesetzes geschärft hatte. Wenngleich Form als ritualisierte Praxis der Naturbeherrschung die Rettung des Besonderen bedeutet, wenngleich sie als "gewaltlose Synthesis des Zerstreuten"(148) aufgrund ihres mimetischen Vermögens ihr eigenes Herrschaftspotential und die gesellschaftlichen Moral- und Gewaltsedimente suspendiert und verwandelt: durch die "Synthesis des Geformten" ist sie "Setzung von Sinn, noch wo Sinn inhaltlich verworfen wird. Insofern bleibt Kunst, gleichgültig was sie will und sagt, Theologie".(149) Diese sakrale Repräsentanz zersetzt Cages Musik. Sie will nicht mehr eine "schuldig machende Mnemotechnik mit elitärer oder theozentrischer Berufung" sein, "sondern eine gigantische Flut, eine maschinenhafte Flut, heidnisch, plebeiisch, mittelpunktslos": "Musica mundana."(150) Cage zerstreut die Bedenken, ob "Kunst nach dem Sturz der Theologie und ohne eine jede überhaupt möglich sei".(151) Und er zeigt, daß die Demobilisierung des musikalischen Gedächtnisses und Sprachcharakters nicht ausschließlich zu Beliebigkeit und Monotonie führen muß. Vorausgesetzt, die logozentrische Subjektmnemonik wird als historisch begriffen. Vergleichbar ihrer Relativierung im gegenwärtig vieldiskutierten Übergang vom Ästhetischen zum Aisthetischen als einer Facette der Dezentralisierung des Logos; ein Übergang, der den Wahrheitsgehalt kunsttheoretischer Urteile zunehmend auf seinen formallogischen Grund hin ausdünnt; hauptsächlich in Form einer Diskrepanz zwischen der hermeneutischen Reflexion, oft mit Abwehrcharakter, und dem ästhetischen Sensorium. Konkret heißt das: wenn Ligeti eine Entsprechung zwischen der gesteigerten Offenheit der Form und der Unterschiedslosigkeit ihrer Realisationen herstellt, wodurch Indetermination negiert werde, weil Veränderung im Bereich des Beliebigen fiktiv sei, dann ist ein solcher Einwand immer wieder an der Hörerfahrung und deren Geschichte zu messen, soll er mehr sein als eine philosophische Spitzfindigkeit des alten Empfindungs- und Erkenntnissubjekts.

          Natürlich ist die Herausforderung, "nichts ist wahr, alles ist erlaubt", um die Dostojewskis und Nietzsches Moraldiskurse kreisen, nicht mehr die von Cage. Auch nicht der Moralismus des "Alles ist erlaubt" eines Raskolnikow oder Ivan Karamasow, der seiner gesuchten Amoral wegen wie de Sades Demontage des Gewissens und Apotheose des Verbrechens an den "ridicule fantôme" des verachteten Gottes gebunden bleibt. Cage hat weder etwas mit einem Übermenschentum à la Kyrillow zu tun: "wenn Gott nicht existiert, ist alles mein Wille"-, noch mit dem Überwindungspathos Nietzsches. Und noch weniger mit Stirner, wie Schnebel dies suggeriert.(152) Will nicht der Autor des Einzigen den toten Gott mit einer Theodizee des solipsistischen Ich beerben: als "Einziger", "der Ich so gut wie Gott das Nichts von allem Andern, der Ich mein Alles, der Ich der Einzige bin"?(153) Steckt in Cage auch ein gutes Stück 19. Jahrhundert: sein Gegensatz zur willensmetaphysischen Attitüde könnte nicht größer sein. War es nicht Cage, der gegen die technisch potenzierte Willensmetaphysik und ihre Leistungs-, Steigerungs- und Arbeitsmanie seine Abrüstungskonzepte der Stille, des Lassens und des Form- und Durchformungsdispenses durchgesetzt hat? Das also, was ihm Adorno als die Nähe zum Impuls einer "informellen Musik" attestiert; als den "Protest gegen die sture Komplizität von Musik mit Naturbeherrschung" und deren Arbeitsmaxime.(154)

          Nicht erst seit Büchners ironischem Ausfall in Leonce und Lena gegen das herrschende Arbeitsethos und dem Dekret, "daß Jeder, der sich rühmt, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird", gilt das Lob der Faulheit in seinem Affront gegen den protestantischen Leistungskodex als obszön. Das trifft nicht minder für Lafargues Pamphlet Le droit à la paresse von 1883 zu und seine Forderung, gegen das ">Recht auf Arbeit<", "das nur das Recht auf Elend ist", die "Rechte der Faulheit" einzuklagen und ein "Gesetz" zu proklamieren, "das Jedermann verbietet, mehr als drei Stunden pro Tag zu arbeiten". Anstatt gegen die "Arbeitssucht" anzugehen, "haben die Priester, die Ökonomen und die Moralisten die Arbeit heiliggesprochen" und "das, was ihr Gott verflucht hat, wiederum zu Ehren" gebracht: die "Liebe zur Arbeit".(155) Ihr Verhängnis entdeckt Nietzsche in der Symptomatik, daß "die Arbeit immer mehr alles gute Gewissen auf ihre Seite (bekommt)" und "man einem Hange zur vita contemplativa ... nicht ohne Selbstverachtung und schlechtes Gewissen" nachgibt, eine Umkehrung von ehedem, als "die Arbeit das schlechte Gewissen auf sich (hatte)".(156) Am Ende kann Cage im Geiste Thoreaus und dessen Widerwillen gegen einen Zweck und Mittel verkehrenden Arbeitswahn nur noch den Kopf schütteln über den Anankasmus des immer Mehr und immer Weiter: "Wir besitzen die nötigen Maschinen, um mehr zu produzieren, als wir verbrauchen können. Wir haben diese Maschinen erfunden, damit sie unsere Arbeit reduzieren. Jetzt, wo wir sie haben, meinen wir, wir müßten einfach so weiterarbeiten wie vorher. Wir sind einfach nur dumm. Früher verbanden wir Tugend und Geld mit Arbeit. Heute brauchen wir eine vollständig neue Moral, eine, die auf Arbeitslosigkeit beruht, und auf der Wichtigkeit und der Verantwortung, diese Freiheit zu nutzen."(157)

          Wenn nun Boulez in Richtung Zufallskomposition den Vorwurf "kompletter Faulheit"(158) äußert, was die "Ausarbeitung", die "Reflexion" und den "Einsatz der eigenen Kräfte" in der Durchorganisation des Werks betrifft, bringt er mit dieser Arbeitsmoral in musicis ein untergründiges, mit Sicherheit aber entscheidendes Ressentiment gegen Cage zur Sprache. Der rechtfertigende Einwand, man könne der Arbeitsgesellschaft nur mit gleichen Mitteln begegnen, ist dabei eher das Relikt einer Zwangslogik, unter Verkennung der Möglichkeiten des Ästhetischen. Einer Gesellschaft freilich, die den Fluch der Arbeit bibeltreuer internalisiert hat als je zuvor, muß das Paktieren mit dem Zufall, selbst auf künstlerischem Gebiet, als Umsturz sämtlicher Leistungskategorien gelten. Gegen Cages aleatorische Wucherungen steht Boulez' Verteidigung des artifex laborans und seines guten Gewissens im Namen von Konstruktion und Perfektion. Daß höchstes ästhetisches Niveau quasi spielerisch erreicht werden kann, grenzt für den redlichen Artisten an Scharlatanerie: "L'Artisanat furieux". Als müßte sich Qualität nach alter Zunftregel immer noch an der geleisteten Arbeit messen lassen. Eine Ansicht, über die sich schon Nietzsche mokiert hatte, noch dazu in puncto Wissenschaft. "Die Mühsal um die Wahrheit soll gerade über den Wert der Wahrheit entscheiden! Diese tolle Moral geht von dem Gedanken aus, daß die >Wahrheiten< eigentlich nichts weiter seien als Turngerätschaften, an denen wir uns wacker müde zu turnen hätten,- eine Moral für Athleten und Festturner des Geistes."(159) Schon der Gedanke, daß die Variations I dem Marteau sans maître ebenbürtig sein könnten, gleicht einem Skandal.

          Aufgrund der Reiz- und Verfemungsgeschichte von Faulheit und Müßiggang wird Boulez zu einem Vertreter jener weltweiten Askese, die Arbeit als moralische Rechtfertigung suggeriert. Konsequent demnach nur, daß Cages "Konzeption des Sichgehenlassens" für Boulez nicht nur in die Gefahr des "Widersinns" läuft, sondern mehr noch in die der "Gesellschaftsfeindlichkeit". Cage fungiert als "Hofnarr" einer "geschlossenen Gesellschaft mit faschistischen Tendenzen".(160) Womit sich der Kreis zu Nonos Vorwurf des Verantwortungslosen und Unpolitischen dem Provokateur Cage gegenüber schließt, zum Vorwurf des Narzißtischen statt des Marxistischen. Damit stehen Cage und Boulez in der Tradition jener epikureisch-asketischen Spannung, die Büchner an Danton und Robespierre seziert hatte und die in Heines und Börnes Gegnerschaft eine prominente Fortsetzung fand.

          Von ihren Polen Cage und Boulez her protokolliert die neue Musik, was philosophisch als die unerledigte Spannung zwischen Kant und Hegel fortlebt. In den Extremen von zufallsgeneriertem Werk und "new complexity" erneuert sich der Widerstreit von Aisthesis und Ethos, insgeheim der von Parataxe und Hypotaxe, deren Strukturprinzipien Hegel so eindringlich wie parteiisch den Koordinaten von Natur und Geist eingeschrieben hatte. Allein, die Utopie der neuen Musik liegt nicht in einer Versöhnung der Extreme, sondern in der Pluralität ihrer Sprachen: kein einzelnes Werk, womöglich kein einzelnes kompositorisches Idiom vermag mehr die Komplexität der Welt zu repräsentieren. Einer Pluralität fraglos ohne jene schlechte Mitte, die jüngst von der Mediokrität einer sogenannten neuen Sinnlichkeit besetzt wurde.

          Adorno hat darauf verwiesen, daß das unangreifbar Gelungene des opus perfectum seinen mythisch-theologischen Schatten nicht abwerfen kann. Einen Schatten, der bis in den Wechselbezug von Integralität und Integrität hineinreicht. Die Hermetik des abgedichteten Werks hat etwas Anfälliges, sofern es, und sei es aus Widerstand, auf Ganzheit, auf die Konsistenz eines Person- und Weltbegriffs geht, der von den Zumutungen der Moderne her mehr als rissig geworden ist. Was als das Nicht-enden-Können großer zeitgenössischer Kompositionen empfunden wird, ist eine Folge dieser Dezentrierung: eine Ausschnitt- und Fragmenthaftigkeit, eine Unabschließbarkeit, die in Feldmans Klavierstück Palais de Mari sich nahezu metaphysisch auflädt. Der absolute Würfelwurf ist nicht einzulösen, die Realisation aller Kombinationen unerreichbar, die Artikulation absoluter Stille unmöglich.

          Während die Autonomie des noch bis in den gelenkten Zufall hinein durchkonstruierten Werks in Autismus umzuschlagen und als selbstgenügsames Glasperlenspiel von innen her zu zerfallen droht, erinnert sei an das dekorativ Verspielte in Boulez' ...explosante-fixe..., franst Cage die Grenze zwischen Kunst und Realität bis zur fragwürdigen Auflösung des Ästhetischen aus. Beides Folgen einer Situation, in der nach den revolutionären Schüben der Kunst die der Gesellschaft ausblieben. Beides Entwürfe einer Musik der Wüste. Dennoch gewinnt eine Komplexität, die nicht auf den Selbstzweck kompositionstechnischer Hochrüstung ausgeht oder Struktur mit antilibidinösem Purismus verwechselt, gewichtige Argumente. Als eine virtuose Artistik, die in ihrer Verteidigung des Erkenntnischarakters und der Polysemantik des selbstreferentiellen Werks in Reflexion und Ausdruck umschlägt, vergleichbar einer von Schlegel so genannten philosophischen Instrumentalmusik.(161) Und dies, obwohl am ausziselierten Meisterwerk, seiner Schürzung aller Mittel und seinem Präsenzideal, der Zug eines refugialen Sich-Bewahrens unüberhörbar ist; und obwohl Cage in seinen gelungensten Kompositionen den Beweis geliefert hat, daß zur Kompetenz eines Werks nicht mehr ausschließlich die bewußt und mit schöpferischem Ingenium gearbeitete Dichte beiträgt; die äußerste Anspannung musikalischer Gedankenarbeit, die Schönberg von der Musik einklagt, den Freeman Etudes also nichts voraushat. So großartig Ferneyhoughs La Chute d'Icare auch komponiert ist, er ist einer im Studiolo des artifex doctus. Vielleicht liegt der Rang der "new complexity" deshalb vorweg in einer diagnostischen Aufklärung der Musik der Gegenwart über sich selbst. So wie dies die von der Idee der "parallelen Universen" geleitete dekonstruktivistische Kommunikation von Ferneyhoughs Viertem Streichquartett mit dem Zweiten Streichquartett Arnold Schönbergs ins Werk setzt.

          Cages Ernstnehmen des transästhetisch Heterogenen bringt zum Sprechen, was die immanenzfixierte Komposition abblendet. Insofern hat Cage die Effizienzfalle der Deutungs- und Moralgewalt einer ethisch aufgeladenen Musik und ihres intellektuellen Surplus' in der Nachfolge Beethovens und Hegels bewußt gemacht. Ob es statt dessen sinnvoll ist, im Geiste Kants und der ihm verpflichteten postmodernen Reflexion die Sphären zu trennen, um der Kunst nicht aufzulasten, was Sache der Ethik ist, hat seinen historischen Befund erst noch abzuwarten. Ein Symptom wertfreier Ästhetik zeigt sich jedenfalls darin, daß der auf den Hund gekommene Geschmack, der nach dem Fall aller Maßstäbe keine Qualitätsunterschiede mehr wahrnehmen will, sich nahezu durchweg zynisch gibt. Vielleicht liegt deshalb das Maß, ethische Kriterien noch an das Happening zu legen, im Widerstand gegen den Verrat an den großen Werken. Wovon sollte die Qualität im Unterschied zum Dokument sonst abhängen, wenn nicht gleichfalls von einer diagnostischen Eigenschaft des Kunstwerks, die zugleich jegliches Faktum und jegliche Metaphorik transzendiert? Auch der Minimal Music ist ja ein gewisser Erkenntnischarakter nicht abzusprechen. Der einer soft music der Großstadtwüste, zugeschnitten auf die Physiognomie des zeitgemäßen Narzißmus: autistisch um sich selbst kreisend, selbstgenügsam in ihrer materialen und variativen Beschränktheit, in ihrer wohlig tonalen Parameterreduktion auf eingängige patterns neue Sicherheit versprechend, frei von Antagonismen und jeglicher mimetischen Qualität. Und doch ist dieser Erkenntnischarakter aufgrund der Simplizität von Faktur und Gehalt dem Bereich des Dokuments zuzurechnen. Von außen an eine Musik herangebracht, die sich, cool gestylt und technikverliebt, zu einer Musik ohne Eigenschaften drapiert, deren Konnotation in Phil Glass' Facades mitschwingt.

          Sicher ist, daß mit der Auflösung der repräsentativen Episteme der Stachel der Differenz zu verschwinden droht. Die Aufzehrung des metaphysischen Erbes enthüllt ihren positivistischen Impetus, der sich bei Cage im Überhang des Konzepts manifestiert. Dieser Überhang bedingt, daß Cages Einfälle und Vorgaben zwar eine reiche Palette der Möglichkeiten suggerieren, ihren Realisationen nach sich aber oft verwechselbar gleichen. Schon gar bei kongruenter Besetzungsstärke und Instrumentenwahl. Stücke wie Winter Music und One for Piano Solo oder Atlas Eclipticalis und Sixty-eight belegen dies. Das Nicht-Wiederholbare entgeht auch bei Cage nicht der Wiederholung. Die nouveauté des Einzelwerks verflüchtigt sich, wenngleich nach Ansicht Cages zu Recht. Gerät Cages Absage an Schlüssigkeit und Logizität mitunter zu einer spannungslosen musique d'ameublement, dann liegt das am Paradox, daß seine Musik nichts sagen will, dies aber unentwegt sagt. Trotz seines Widerwillens, eine Sprache vorzutäuschen, wo es keine Sprache mehr gibt, ist seine Musik noch Sprache. Darin ist Cage Exorzist und Zeremonienmeister zugleich. Der entscheidende Grund für die Zerstreuung, mit der Cage dem Beliebigen und Gleichförmigen zuarbeitet, liegt jedoch darin, daß die Intention des happenings noch in den Mikrobereich der Musik eindringt: als eine punktuelle Reihung von events.

          Daß Cages Arbeit mit dem Zufall indes höchstes ästhetisches Niveau erreichen konnte, basiert zum einen auf der Entsprachlichung der neuen Musik. Gleichwohl dieser Befund nur einen Teilaspekt trifft, sofern er sich am Urbild der tonalen Typologie mißt und übersieht, daß die Undenkbarkeit absoluter Entsemantisierung metasemantisch auf eine neue Semantik hin transparent wird. Zum anderen basiert sie auf dem Bündnis zwischen Phantasie und Metier, für das Cages Spielregeln eine wichtige Rolle spielen. Denn Cages Organisation des Zufalls über das I Ching, über Sternenkarten, Unebenheiten des Papiers oder die Überlagerung verschiedener Werkkonzepte bis hin zu Graphismen, die interpretatorische Assoziationen auslösen sollen, sowie die damit verbundenen Einwände gegen Cage: die von der Belanglosigkeit formaler Spielereien, von der Orakelmethode als Delegation, von Strukturlosigkeit und Beliebigkeit, beginnen erst unter dem Aspekt von Cages artistischer Disziplin ins rechte Licht zu rücken. Beispielsweise vor dem Hintergrund der Zeitregelungen und Auswahlverfahren im Concert for Piano and Orchestra, die sich gegen die Vorstellung von Anarchie als Zügellosigkeit ebenso richten wie sie wiederum gesellschaftliche Zwänge in sich aufnehmen.

          Wie alle Spielregeln wirken diejenigen Cages zunächst nicht weniger willkürlich. Desgleichen seine Forderung, sie strikt einzuhalten. Regeln wie die, daß in jeder der Etudes Australes ein Ton ungespielt bleiben soll, daß der Instrumentenwechsel in Atlas Eclipticalis nicht vor Beendigung eines Klangaggregats zu erfolgen habe oder in einer Aufführung des Klavierkonzerts nur die jeweils geraden oder ungeraden Noten aus bestimmten geometrischen Figuren auszuwählen seien. Und doch korrespondieren solche Vorschriften, bis in die der Zeitklammern, als eine Mikrostruktur der "disziplinierten Anarchie" mit Cages Ingeniosität. Sie ist es, die die kompositorischen Fragen stellt, auf die das I-Ging erst antwortet. So leiten nicht nur die durch Übertragung von Sternkonstellationen gewonnenen Tonhöhen und Dichten der Freeman Etudes die Akribie der Details von der Imaginationskraft des Komponisten her. Die Auseinandersetzung mit neuen Spieltechniken, die Differenzierungen von Strichart, Lautstärke, Art der Tonwiederholung, Dauer und mikrotonaler Schwankung bis hin zur Chronometrie der Uhr, die als Zeitlinie im Dreisekundentakt die einzelnen Systeme der Etüden grundiert, sind keineswegs nur zufällig gestreute Effekte eines Orakel-Automatimus. Außerdem werden Fragen des Metiers bei Cage zu solchen der Kompromißlosigkeit. Etwa was das Zugeständnis an die Spielbarkeit der Freeman Etudes oder was die zugunsten ihres Spannungsverhältnis untersagte Trennung der Europeras 3 & 4 anbelangt. Und überdies markieren Cages règles du jeu den Unterschied zu Stockhausens >intuitiver Musik<. Während deren Esoterik schon in den Seancen Aus den sieben Tagen Züge einer gruppendynamischen Musik "aus dem Bauch" annimmt, verhindert bereits Cages Stoppuhr zur Kontrolle der Gesamt- wie der Einzeldauer die Mystik des interstellaren Höhenflugs. Cages Konstellationen, unbestritten in den "Zahlenstücken", vermitteln im Gegenteil ein radikal antimeditatives Element. Manchmal auf eine Weise, als hätte sich der Komponist den Schlußpassus aus Foucaults Les mots et les choses zum Motto gewählt: für eine Musik nach dem Ende der Metaphysik und der Erfindung des Menschen.

          Dieser Abschied von der Metaphysik findet als Zersetzung der metaphysischen Repräsentanz von Musik seinen sichtbaren Ausdruck in Cages Weitung der Notation zu einer Schrift zweiter Ordnung, mit einem Höhepunkt in der Solostimme des Klavierkonzerts und ihren Drehfiguren horizontaler und vertikaler Beliebigkeit. Cage setzt bildhaft um, was Nietzsche noch als den Fall der Moderne ins Bodenlose unter Aufhebung aller Richtungskonstanten dramatisiert: "Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten?"(162) Wie das Notierte in Form konzeptueller Anweisungen seit den Variations I nichts mehr über die klangliche Realisation aussagt, so kann umgekehrt, vom Erklingenden aus, nicht mehr auf das Notierte rückgeschlossen werden. Gegen das Lese- und Erkenntnisversprechen der musikalischen Schrift fungieren im Klavierkonzert die Notationsgraphismen und -figuren des Soloparts als Logbuch eines Experiments, das um das Sinndiktat herkömmlicher Semeiographie weiß: um den ontologisierenden Index des Linearen und Räumlichen, des hohen und tiefen Tons und um die Instanzen des Früher und Später, des Ersten und Folgenden, die Nietzsche als Regulative der zeitfixierten Moral ausmacht. Wenn auch Cage in Anbetracht des unumkehrbaren Verfließens der empirischen und des unhintergehbaren Kontinuums der ästhetischen Zeit die Scheinfreiheit dieser Prozeduren fürs erste überschätzt hat.

           Liegt die Verwandtschaft zwischen Cage und Nietzsche im Abriß metaphysischer Hinterwelten, dann liegt sie ebenso darin, daß beide nicht hinter die Verwicklungen des Faktischen zurückfallen wollen. Cages Entgrenzungs- und Eingemeindungskonzepten eine Aufkündigung der gesellschaftlichen Widersprüche vorzuwerfen, trägt nur zum Teil. Man muß an die kulturindustrielle Bilderflut denken, an deren Beliebigkeit und Austauschbarkeit, an das permanente Deja-vu des Channel-hopping, an das Unterhaltungsdelirium des dauernden Angetöntwerdens, um Cages Gegensatz zu jener Form von "Bordellisierung" zu begreifen, mit der Sloterdijk einmal die Korruption des Bewußtseins charakterisiert hat. Selbst Adornos Kritik an Cage gibt zu bedenken, angesichts der "jüngsten Musik" sei "schwer darüber zu urteilen", "ob ihr Negatives das gesellschaftliche ausdrückt und dadurch transzendiert, oder es bloß, bewußtlos in seinem Bann, imitiert; am Ende ist beides gar nicht mit der Sonde zu scheiden".(163) Daß Cages Kompositionen unter der gesellschaftlichen Gewalt und aufgrund der Zersetzung des ästhetischen Scheins mitunter zu vorkünstlerischen Praktiken regredieren, rechtfertigt noch nicht, wie Habermas beim späten Nietzsche, von einem Positivismus auch in Cages Musik zu sprechen. Von einer Musik, die sich an das hält, was der Fall ist. Bedeutet die Abdankung des Subjekts zwangsläufig die Affirmation des Faktischen? Sicherlich nicht, wenn Positivismus Verdinglichung und Konkretismus meint, und die ästhetische Verhaltensweise imstande ist, "mehr an den Dingen wahrzunehmen, als sie sind".(164) Immerhin bringen Cages Variations IV zu Bewußtsein, daß jeder refugialen Parzellierung in der digitalen Dichte des Weltzusammenhangs etwas Provinzielles anhaftet, ohne daß das polysemantische Ineinander der Komposition in der Durchquerung und im Aufprall ihrer verschiedenartigen Momente und Ebenen die Faktizität mit dem Nimbus des Bestehenden verklärt. Im Wissen um die elektronische Raumzeit und deren vernetztes "Omnia ubique" entbindet sich bei Cage der ästhetische Akt zu einem Ensemble unvorhersehbarer Ereignisse, das eine mitschnitthafte Abbildung der Empirie hinter sich läßt. Niemals hat Cage eine anekdotische Musik à la Ferraris Prèsque rien komponiert.

          Nach dem Abschied vom prometheischen Künstler- und Schöpfungsmythos kann Cage weder in die Richtung eines Desperadotums noch in die eines Intermezzos der Musikgeschichte interpretiert werden. Zu schwer wiegt seine Aufdeckung des Gedächtniskults der rationalistischen Episteme, der bis in die Logistik des geschlossenen Werks hineinreicht: in die Hierarchien der Zeit und der Klänge, ihre Prioritätsverhältnisse und Formimperative, in das Sinndiktat und die Kontrollprozeduren der Diachronie, in die Kastrationswucht der Linearität und ihren verkappten Monotheismus. Von hier aus zeigt sich, was seit Cage an neuerer Kunst und Ästhetik zurückgeblieben, veraltet ist. Jene gestische Rhetorik zum Beispiel, die so viele zeitgenössische Kompositionen mit neoexpressionistischem Mehltau überzieht und durch künstliche Subjektemphase einander angleicht. Als hätten nicht schon Husserls "eidetische Variation" die subjektverschränkte Einheitszeit auf eine multiple Gleichzeitigkeit hin entgrenzt oder die Schnittwechsel in Debussys Jeux und die Gestaltsimultaneität des Kubismus die Instabilität des Ich aufgedeckt. Als hätte nicht Proust die >Fiktionalität seelischer Ganzheit< in der Relation der "états successifs" und der "moi successifs" anschaulich gemacht und die eigene poetische >Deformation der Zeit< mit Einsteins Relativitätstheorie in Verbindung gebracht.(165) Und Nietzsche war es bereits, der den Zusammenhang zwischen der >Preisgabe des Subjekts< und der fehlenden "Voraussetzung für eine >Substanz< überhaupt" demonstriert hatte. Einen Zusammenhang, in dem man nur "Grade des Seienden" bekommt, in dem man "das Seiende verliert" und mit ihm die sei's auch ästhetisch modifizierte >Fiktion Subjekt< als die Instanz des verkürzenden "Gleichsetzens und Zurechtmachens".(166) Nicht ohne Grund wirkt der Epilogcharakter mancher Stücke Rihms, etwa von sphere oder Ins Offene, wie die Erlösungssehnsucht eines verspäteten Brucknertums, in dem die Musik in ihrer Pathetik redselig wird. Eine sich wiederkäuende Musik, die nicht zu Ende kommt und darin jegliche ironische Distanz zu sich selbst vermissen läßt. Zugleich gilt es zu verstehen, wie sich Cages Musik des Vergessens zu einer des Widerstands schärfen kann, ohne dabei ihre Aporien zu übersehen. Vorrangig die, daß Cages Konzepte dem Werkcharakter qua Aufführung nicht entrinnen können. Oder die, daß sich Cages entmemorisiertes Einlassen auf das Heterogene zeitweilig wie der Dekor des Status quo ausnimmt.

          Gegen eine Verklärung zur Heilsbotschaft und gegen eine Abwertung zum Clownesken ist Cage in erster Linie seinem historischen Kontext nach zu begreifen. Die einseitige Kritik am Affirmationscharakter Cages greift angesichts der revolutionären Aspekte seiner Musik und Ästhetik ebenso zu kurz wie deren guruhafte Glorifizierung. Abgesehen davon, daß Cages Arbeit mit dem Zufall vermutlich einmalig und unwiederholbar ist, steht seine Abwehr der Tradition nicht außerhalb der Tradition. Cage hat seinen Zeitindex. Schon diese Bindung bedeutet ein gutes Stück Relativierung, selbst wenn kein Komponist mit dem Wiederholungsbegriff so entschieden gebrochen hat wie er. Bereits das Durchlöchern einer populären klassischen Komposition im Credo in US von 1942 ist Duchamps bärtig verfremdeter Mona Lisa verwandt: als eine Entlarvung des Fetischcharakters klischeehaft erstarrter Meisterwerke. Und wie hier die Lust der Demontage und der Irritation so verschwistern sich später, etwa in Cages Writings through..., die der Dekomposition und der Transformation zur Umschrift des Tradierten im Zeichen der Tradition. Sie bringt Cages Entzauberung der Repräsentation in Wahlverwandtschaft zu Nietzsche und Mallarmé: was das Bewußtsein von Zeit und Tod, die Delinearisierung des Gedächtnisses oder den Status innerhalb der Geschichte von Kausalität und Zufall anbelangt. Von dieser Spur der Moderne her wird noch Cages zenbuddhistischer Ansatz als deren Spiegelschrift lesbar.

          Bleibt vorerst also wohl nur beides: das meditative Sich-Versenken in die Struktur und das nüchterne Sich-Einlassen auf Cages entmemorisiertes Fließen; die Bindung an das geschlossene Werk, um in der Wiederholung den transsubjektiven Impuls wachzuhalten, und die Offenheit dafür, die imperialen Tendenzen des Ego zu demobilisieren. Weichen Cages Abwertung des subjektiven Faktors und seine Unbestimmtheitsintention immer wieder zur Redundanz und zur Wiederholung des Immergleichen auf: stets ist auch das Ohr der Identitätsmnemonik in Frage zu stellen, an dem sich solche Redundanz mißt. Seiner Sinnagentur verunmöglicht Cage, was Adorno als den "hörenden Mitvollzug" verteidigt hatte. Zumal wenn die "Zeitdimension, deren Gestaltung die überkommene musikalische Aufgabe war und in der richtiges Hören sich bewegte, aus der Zeitkunst virtuell eliminiert (wird)".(167) Doch wie bei Kant der "transzendentale Schein" aus dem erfahrungstranszendenten Gebrauch der Kategorien resultiert und nach seiner Aufdeckung durch die Kritik der "transzendentalen Dialektik" bestehen bleibt, als die "unvermeidliche Illusion" in der Verwechslung subjektiver Grundsätze mit den objektiven der "Dinge an sich", so unterschiebt sich in der Auseinandersetzung mit Cage häufig die subjektexpressive Musik als objektiver Maßstab schlechthin.

          Cage bedeutet sicher nicht das Ende der Musikgeschichte. Eher wurde er zu einer Art Katalysator, während die "meisten Musiker" an den "komplizierten, zerrissenen, konkurrierenden Resten der Tradition" festhielten.(168) Nicht zuletzt hat sein west-östlicher Brückenschlag die Beschränktheit falschen Fragens bewußt gemacht. Am eindringlichsten wohl in der Episode vom >Mann auf der Anhöhe< der Lecture on Nothing, in der die interrogative Einkreisungstechnik mit der Zeit schal wird. Denn die "Gewohnheit, immer >warum< zu fragen, ist genau wie das Fragen nach dem Meisten oder Besten."(169) Zieht Goethe am Schluß eines ironisch-philosophischen Gedichts das Resümee: "Mein erst Gesetz ist, in der Welt die Frager zu vermeiden"(170), dann lassen die alten Zen-Meister und Cage mit ihnen die Sinn- und Antwortsucht selbst ins Leere fallen. "Wenn aber der Leib zerbricht und vergeht, da bleibt doch noch eines - die Seele. Was wird aus ihr?" - Meister Dschau-dschou antwortete: "Heute morgen erhebt sich wieder der Wind."(171) Wie hieß es doch bei Cage gegen das Establishment von Sinn und Dogma, gegen jede Art von "cage"? "In welchem Käfig man sich auch befindet, man sollte ihn verlassen."(172)

Anmerkungen


    1  Daniel Charles, John Cage oder Die Musik ist los, Berlin 1979, S. 43.

    2  Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg 1956, S. 140.

    3  A. a. O., S. 145.

    4  Isaac Newton, Mathematische Principien der Naturlehre, übers. v. J. Wolfers, Berlin 1872, S. 25.

    5  John Cage, Plädoyer für Satie (Richard Kostelanetz, John Cage), Köln 1973, S. 111 f.

    6  Cage, McLuhans Einfluß (Anm. 5), S. 231.

    7  Cage, Für die Vögel. Gespräche mit Daniel Charles, Berlin 1984, S. 45.

    8  A. a. O., S. 96.

    9  Ludwig Wittgenstein, Vorlesungen 1930-1935, Frankfurt a. M. 1984, S. 185 f.

  10  A. a. O., S. 187.

  11  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 30.

  12  Aristoteles, Physik, 4. Buch, 11. Kapitel.

  13  Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Logik II (Werke in zwanzig Bänden, hg. v. Eva Moldenhauer u. Karl Markus Michel, Bd. 6),

 Frankfurt a. M. 1972, S. 127.

  14  Baruch de Spinoza, Ethik, Hamburg 1976, S. 35.

  15  A. a. O., S. 296.

  16  Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit, Frankfurt a.

M. 1975, S. 54.

  17  A. a. O.

  18  Friedrich Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1885-1887 (Kritische Studienausgabe, hg. v. Giorgio Colli und Mazzino

Montinari, Bd. 12), München/Berlin/New York 1980, S. 466 ff.

  19  Nietzsche, Also sprach Zarathustra (= KSA, Bd. 4), S. 181.

  20  A. a. O., S. 179.

  21  Für die Vögel (Anm. 7), S. 42.

  22  Cage, Empty Words. Writings '73-`78, Middletown 1979, S. 5.

  23  Cage, In diesen Tagen (Anm. 5), S. 239.

  24  Für die Vögel (Anm. 7), S. 40 ff.

  25  Pierre Boulez, Wille und Zufall, Stuttgart/Zürich 1977, S. 96.

  26  A. a. O., S. 95 ff.

  27  Boulez, Werkstatt-Texte, Frankfurt a. M. - Berlin 1972, S. 104.

  28  Cage, Anarchic harmony, hg. v. Stefan Schädler und Walter Zimmermann, Mainz 1992, S. 109.

  29  Boulez, Werkstatt-Texte (Anm. 27), S. 104 f.

  30  Boulez, Wille und Zufall (Anm. 25), S. 57 f.

  31  Karlheinz Stockhausen, Texte zur elektronischen und instrumentalen Musik, Bd. 1, Köln 1963, S. 77.

  32  A. a. O.

  33  A. a. O., S. 86 f.

  34  A. a. O., S. 98.

  35  Cage, Silence, Lectures and Writings, Middletown, Conn. 1961, S. 59.

  36  Für die Vögel (Anm. 7), S. 62.

  37  Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Gesammelte Schriften, Bd. 1,2),

Frankfurt a. M. 1974, S. 479.

  38  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 147.

  39  Für die Vögel (Anm. 7), S. 40 ff.

  40  Friedrich Hölderlin, Der Archipelagus (Sämtliche Werke, hg. v. Friedrich Beißner), Frankfurt a. M. 1965, S. 312.

  41  Für die Vögel (Anm. 7), S. 95.

  42  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 139.

  43  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 31.

  44  Vgl. Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen (Sämtliche Werke in fünf Bänden, hg. v. Gerhard 

Fricke und Herbert G. Göpfert, Bd. 5), München 1980, S. 612 f.

  45  Vgl. Lévi-Strauss, Mythologica I. Das Rohe und das Gekochte, Frankfurt a. M. 1976, S. 31.

  46  Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1887-1889 (KSA, Bd. 13), S. 500.

  47  Rainer Maria Rilke, Archaischer Torso Apollos (Sämtliche Werke, Bd. 2), Frankfurt a. M. 1975, S. 557.

  48  Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik I (WW, Bd. 13), S. 203.

  49  A. a. O., S. 22.

  50  John Cage im Gespräch. Zu Musik, Kunst und geistigen Fragen unserer Zeit, hg. v. Richard Kostelanetz, Köln 1989, S. 165.

  51  Silence, übers. v. Ernst Jandl, Frankfurt a. M. 1987, S. 41.

  52  A. a. O., S. 48 f.

  53  A. a. O., S. 47 f.

  54  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 21 u. 103.

  55  A. a. O., S. 41.

  56  Silence (Anm. 51), S. 48.

  57  Theodor W. Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie (Gesammelte Schriften, Bd. 14), Frankfurt a. M. 1973, S. 379.

  58  Silence (Anm. 51), S. 39 u. 48.

  59  Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1885-87 (KSA, Bd. 12), S. 213.

  60  Anarchic harmony, (Anm. 28), S. 15.

  61  Für die Vögel (Anm. 7), S. 58.

  62  Silence (Anm. 51), S. 47.

  63  A. a. O., S. 54.

  64  Cage, Brief an Paul Henry Lang (Anm. 5), S. 167.

  65  Vgl. Jean-François Lyotard, Das Inhumane, Wien 1989, S. 279ff.

  66  Auguste Comte, Rede über den Geist des Positivismus, Hamburg 1979, S. 34.

  67  Für die Vögel (Anm. 7), S. 96.

  68  Michel Foucault, Die Ordnung des Diskurses, München 1974, S. 7 f.

  69  Anarchic harmony (Anm. 28) S. 115 u. 131.

  70  Foucault, Die Ordnung des Diskurses (Anm. 69), S. 7 f.

  71  Silence, (Anm. 51), S. 55.

  72  Wenn Karl-Otto Apel einmal sein Unverständnis darüber geäußert hat, weshalb sich Foucault denn trotz seiner unbarmher­zig 

illusionslosen Weltsicht noch politisch engagiere, offenbart dies ein akademisches Ethikverständnis im Zeichen des perfor­mativen   Widerspruchs von fast schon kurioser Qualität.

  73  Giordano Bruno, Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einem, Hamburg 1982, S. 100.

  74  Für die Vögel (Anm. 7), S. 101.

  75  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 131.

  76  Für die Vögel (Anm. 7), S. 65.

  77  A. a. O., S. 47.

  78  Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie (Anm. 57), S. 379.

  79  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 32.

  80  Vgl. Silence. Lectures and Writings (Anm. 35), S. 39.

  81  Für die Vögel (Anm. 7), S. 88.

  82  Heinrich Heine, Verschiedenartige Geschichtsauffassung (Sämtliche Schriften, hg. v. Klaus Briegleb, Bd. 5), Frankfurt a.

M./Berlin/Wien 1981, S. 22.

  83  Für die Vögel (Anm. 7), S. 143.

  84  Silence (Anm. 51), S. 50.

  85  Brief an Paul Henry Lang (Anm. 5), S. 166.

  86  Für die Vögel (Anm. 7), S. 95.

  87  Silence (Anm. 51), S. 50.

  88  Empty Words (Anm. 22), S. 183.

  89  Für die Vögel (Anm. 7), S. 63.

  90  John Cage, hg. v. Robert Dunn, New York 1962, S. 50.

  91  Für die Vögel (Anm. 7), S. 56.

  92  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 33.

  93  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 79.

  94  John Cage im Gespräch (Anm. 50), S. 200.

  95  A. a. O.,  S. 87.

  96  A. a. O., S. 175.

  97  Für die Vögel (Anm. 7), S. 100.

  98  Silence (Anm. 51), S. 38; Adorno, Musikalische Schriften I-III (= Gesammelte Schriften, Bd. 16), S. 540 u. 634.

  99  Nietzsche, Götzen-Dämmerung (KSA, Bd. 6), S. 75 f.; Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse (KSA, Bd. 5), S. 16.

100  Für die Vögel (Anm. 7), S. 89.

101  Silence (Anm. 51), S. 58.

102  Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches (KSA, Bd. 2), S. 362 f.

103  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 139.

104  Friedrich Schlegel, Lessings Geist aus seinen Schriften (Kritische Schriften, hg. v. Wolfdietrich Rasch), München 1970, S. 430.

105  Jean Paul, Vorschule der Ästhetik (Werke in zwölf Bänden, Bd. 9, hg. v. Norbert Miller), München/Wien 1975, S 172.

106  Schlegel, Philosophische Vorlesungen I (1800-1807) (=Kritische Ausgabe, hg. v. Ernst Behler, Bd. 12), Paderborn u. a. 1964,

S. 403 u. 393.

107  Charles Baudelaire, L'art romantique, Paris 1968, S. 185.

108  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 21.

109  Für die Vögel (Anm. 7), S. 102.

110  A. a. O., S. 51.

111  A. a. O., S. 62.

112  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 147.

113  Silence (Anm. 51), S. 48.

114  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 95.

115  Für die Vögel (Anm. 7), S. 49.

116  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 31.

117  Für die Vögel (Anm. 7), S. 84.

118  Charles, John Cage (Anm. 1), S. 86 f.

119  Adorno, Noten zur Literatur (= Gesammelte Schriften, Bd. 11), S. 605 f.

120  Daniel Charles, Musketaquid. John Cage, Charles Ives und der Transzendentalismus, Berlin 1994, S. 127.

121  Für die Vögel (Anm. 7), S. 90.

122  A. a. O.

123  Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (Schriften, Bd. 1), Frankfurt a. M. 1980, S. 342 ff.

124  A. a. O., S. 534.

125  Honoré de Balzac, Gambara (Das ungekannte Meisterwerk. Erzählungen), Zürich 1977, S. 29.

126  Johannes Bauer, Rhetorik der Überschreitung. Annotationen zu Beethovens Neunter Symphonie, Pfaffenweiler 1992, S. 168.

127  Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches (Anm. 102), S. 175.

128  Wittgenstein, Tagebücher 1914-1916 (Schriften, Bd. 1), S. 130.

129  Für die Vögel (Anm. 7), S. 134.

130  Anarchic harmony (Anm. 28), S. 139.

131  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (KSA, Bd. 3), S. 422.

132  Hugo von Hofmannsthal, Eine Monographie, (Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze I, hg. v. Bernd Schoeller), Frankfurt a. 

M. 1979, S. 479.

133  Für die Vögel (Anm. 7), S. 87.

134  Nietzsche, Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne (KSA, Bd. 1), S. 880.

135  Nietzsche, Götzen-Dämmerung (Anm. 99), S. 76.

136  Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1884-1885 (KSA, Bd. 11), S. 635.

137  Nietzsche, Götzen-Dämmerung (Anm. 99), S. 98.

138  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Anm. 131), S. 593.

139  Jean-Paul Sartre, Mallarmés Engagement, Reinbek 1983, S. 14 f.

140  Nietzsche, Götzen-Dämmerung (Anm. 99), S. 78.

141  Für die Vögel (Anm. 7), S. 79.

142  Silence (Anm. 51), S. 38.

143  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 30.

144  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Anm. 131), S. 574.

145  A. a. O., S. 480.

146  Fjodor M. Dostojewski, Die Dämonen, München 1977, S. 492 u. 506.

147  Sigmund Freud, Dostojewski und die Vatertötung (Studienausgabe, Bd. 10, hg. v. Alexander Mitscherlich, Angela Richards, 

James Strachey), Frankfurt a. M. 1969, S. 279.

148  Adorno, Ästhetische Theorie (= Gesammelte Schriften, Bd. 7), S. 216.

149  A. a. O., S. 403 f.

150  Charles, John Cage (Anm. 1), S. 44.

151  Adorno, Ästhetische Theorie (Anm. 148), S. 403 f.

152  Vgl. Dieter Schnebel, Wie ich das schaffe?, München 1978, S. 53 (= John Cage. Musik-Konzepte, Sonderband 1).

153  Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum, Stuttgart 1972, S. 5.

154  Adorno, Musikalische Schriften I-III (Anm. 98), S. 534.

155  Paul Lafargue, Das Recht auf Faulheit, Frankfurt a. M./Wien 1966, S. 35 ff.

156  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Anm. 131), S. 557.

157  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 39 f.

158  Boulez, Wille und Zufall (Anm. 25), S. 96.

159  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Anm. 131), S. 540.

160  Boulez, Wille und Zufall (Anm. 25), S. 97.

161  Vgl. Claus-Steffen Mahnkopf, Kritik der neuen Musik. Entwurf einer Musik des 21. Jahrhunderts, Kassel u. a. 1998, passim.

162  Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft (Anm. 132), S. 481.

163  Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie (Anm. 57), S. 379.

164  Adorno, Ästhetische Theorie (Anm. 148), S. 488.

165  Marcel Proust, A la recherche du temps perdu, Bd. 1, Paris 1949, S. 247, sowie Proust, Briefe zum Leben, Frankfurt a. M.

1983, S. 653 f.

166  Nietzsche, Nachgelassene Fragmente 1885-1887 (Anm. 18), S. 465.

167  Adorno, Einleitung in die Musiksoziologie (Anm. 58), S. 378.

168  Silence (Anm. 51), S. 59.

169  Kostelanetz, Gespräch mit John Cage (Anm. 5), S. 35.

170  Johann Wolfgang von Goethe, Die Weisen und die Leute (Sämtliche Gedichte), Stuttgart o. J., S. 549.

171  Zen. Sprüche und Leitsätze der Zen-Meister, Frankfurt a. M. 1995, S. 37.

172  John Cage im Gespräch (Anm. 50), S. 217.

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